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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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anderes Tor, und wenn genug in der Stadt sind, können sie den anderen die Tore auch mit Gewalt offenhalten – nicht lang, nur lang genug. Aber… Agamemnon der Dumpfe wollte, daß es sein Krieg und sein glänzender Sieg sei. Diomedes, Aias, Achilleus, sie alle wollten Ruhm statt Reichtum, Sieg statt Gewinn, Ehre statt Sättigung.
    Und es gab, sehr unerwartet, Liebe. In all dem Entsetzen habe ich etwas gefunden, das ich nicht erwartet hätte und noch immer nicht ganz begreife. Ah, vieles, nicht nur eines. Ich habe Helena verstanden, die kein Strauch in Sparta sein wollte, sondern ein greller Stern. Aber das gehört nicht hierher.
    Was ich gefunden habe, ihr köstlichen Frauen, ist die Liebe zu einfachen Männern. Keine Knabenliebe, nein, und keine Anbetung herrlicher Helden. Die Helden, zu denen man mich gezählt hat, waren nie anbetungswürdig; ihre – unsere, auch meine Fehler waren und sind abscheulich. Liebe zu… nein, sagen wir nicht Liebe, es ist als Wort zu groß und zu klein und zu biegsam. Aber welches Wort trifft, welcher Pfeil geht ins Herz der Dinge?
    Zank in den Zelten, Streit über dies und jenes und wer die besten Pferde hat – nutzlose Tiere – und die wildesten Einfälle. Wer der Größte und Schönste und Stärkste ist. Wer morgen die Befehle geben soll. Ob Agamemnon, auf dem Bauch kriechend, vielleicht doch der größere Fürst ist als Achilleus, wenn dieser auf der Seite liegt? Menelaos im Kopfstand der bessere Speerkämpfer als Diomedes mit Durchfall?
    Und dann, abends, hinausgehen zu den Feuern, eins werden mit der Nacht und dem Knistern und Dunst. Dem Gestank und den Geschichten, die sie an den Feuern erzählen. Sie, die einfachen Krieger. Mann unter Männern sein, nicht zeternder Fürst unter eitlen Prahlern. Das halbe Brot, das mir ein struppiger Achaier am Feuer gibt, die Lederflasche mit saurem Wein, aus der er mich trinken läßt, dies spöttische Grinsen und Bemerkungen wie: »Da, nimm, Odysseus, sollst auch nicht leben wie ein Fürst.« Einfache Männer, die Geschichten erzählen von daheim, von morgen, von der Überfahrt, von Ungeheuern in ihren Träumen, und grobe Witze über den Streit der Führer. Ich weiß: Wenn morgen ein trojanischer Speer auf meinen Rücken zielt, wird Agamemnon lächeln und mit Diomedes wetten – dringt der Speer einen Finger tief ein, oder kommt er vorn wieder heraus? Ich weiß: Einer dieser Männer wird den runden Schild hochreißen und meinen Rücken dekken. Einer dieser einfachen Männer, die die einfachen Dinge kennen – Dinge, die die Fürsten längst vergessen haben. Was ist der duftende Braten im Zelt des Königs von Mykene? Nichts, verglichen damit, bei Waffenbrüdern zu sitzen, mit ihnen Wasser und gequollenes Getreide zu teilen und hingenommen zu werden, aufgenommen, wie ein Stück Nacht, ein Strauch, ein Stein, Mann unter Männern.
    Dies habe ich gelernt. Staunend. Und jeder Kämpfer aus Ithaka, aus Pylos, Argos, Korinth, woher auch immer – jeder dieser Männer war mir näher als jeder der hochmütigen Löwen. Achaier, ohne Bildung, ungewaschen, mit groben Scherzen und blutigen Händen, aber, ihr Götter, Männer! Männer, nicht zeternde, gesalbte Hyänen, die sich für Fürsten halten, weil ihre Väter jemanden vom Thron gestoßen haben. Und alles, was ich getan habe, habe ich nicht für Agamemnon getan, sondern für diese Männer. Natürlich nicht für die Nachzügler unter ihnen; wer auf Nachzügler wartet, wird nie aus dem Tartaros der Schlacht ins Elyseion des beutebeladenen Friedens finden. Für diese Männer habe ich es getan.
    Und für mich.

11. SCHATTENDRACHEN
    Tsanghars Nützlichkeit überstieg alles, was der Assyrer hatte erwarten können. Die seltsamen Zug und Hebegeräte aus Rollen und Seilen erwiesen sich auch beim Beladen der Schiffe als hilfreich – der Kashkäer befestigte die Geräte an einem Ende der schweren, für diese Arbeit zusätzlich gesicherten Rah, die beweglich war und plötzlich als Ladebaum diente. Und während die im Winter ausgebesserten und neu verpichten Schiffe in der inneren Grotte nach und nach ins Wasser abgelassen wurden, erfuhr Ninurta vom Schmied Shakkan noch etwas Neues über Tsanghar.
    »Ich glaube, er hat zwei oder drei wüste Nächte mit den beiden Hexen verbracht und über dies und das geredet.« Shakkan grinste. »Worüber man so redet, wenn man es mit zwei Frauen gleichzeitig aufnehmen muß. Aber du wirst dich erinnern, wie das ist…«
    Ninurta kratzte sich den Kopf. »Erinnere ich mich?

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