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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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furchtlos sein und tapfer, edle Tarhunza; das Maß unserer … jedenfalls meiner Furchtlosigkeit gleicht einem, sagen wir mal, mächtigen Gefäß, das jedoch überlaufen müßte, wollte man es mit jener Tollkühnheit füllen, die zur Annahme deines Vorschlags gehört.«
    Tarhunza drohte ihm mit einer kinderkopfgroßen Faust.
    »Tollkühn? Freches Stück. Du weißt ja gar nicht, was dir entgeht.«
    Minyas hatte die meiste Zeit geschwiegen, wie so oft. Nun hob er die rechte Hand und betrachtete sehr aufmerksam die eigenen Finger, die spitzen Nägel, die Silberringe. Der lange weiße Ärmel rutschte zurück zum Ellenbogen und enthüllte etwas für Ninurta Neues: das blaue Hautbild einer Unke.
    »Wie wir wissen, junge Frau, ist der Sidunier ebenso leichtfertig wie die meisten anderen Chanani, und vor allem weiß er weder um die Zartheit deiner Liebkosungen noch um die Feinheit deines Gemüts. Vergeude dich nicht an ihn.«
    »Außerdem ist er beschäftigt.« Kynara blinzelte Zaqarbal von der Seite zu.
    »Willst du mitfahren?« sagte Ninurta.
    »Tolmides ist nicht zurückgekommen; da er vermutlich nicht so schnell umzubringen ist, wird er sich für den Winter bei einer schmackhaften Libu-Frau oder mehreren eingestöpselt haben, und…«
    Tarhunza murmelte: »Eingestöpselt? Häh.« Ihr Murmeln war ein wenig lauter als die gewöhnliche Rede Kynaras; nach dem »häh« steckte die Hatti-Riesin einen mächtigen Zeigefinger in den Mund, schloß die Lippen darum und zog ihn mit einem plopp wieder heraus.
    »… und deshalb werde ich Zaqarbal begleiten, damit er im nächsten Winter nicht in Gefahr gerät, da unten.«
    ERZÄHLUNG DES ODYSSEUS (V)
    Abwärts zum Hades oder hinauf zum Olympos – am schnellsten reist man allein, und der ist ein Narr, der auf Nachzügler wartet. Bitter? Wer nicht reist, kommt nirgendwo an, bewegt nichts, verendet bald nach der Blüte: ein Baum, Gestrüpp oder Flechte. Und Pflichten.
    Vielleicht wäre ich ein guter Baum am Wegrand geworden, Schattenspender für Wanderer; aber ich wollte selbst Wanderer sein. Manche können das Feuer, das in ihnen ist, sparsam hegen und über Jahrzehnte Herd sein und stetiges Leuchten; andere ziehen das Lodern dem Glimmen vor – auch wenn es nur ein kurzes grelles Lodern ist. Wo wären wir, wir alle, wenn nie jemand hätte nachsehen wollen, was sich unter dem flachen Stein verbirgt, der neben der Hütte liegt? Der prüft, ob diese fremde Pflanze eßbar ist oder jenes seltsame Tier gutes Fleisch gibt? Und warum, ihr Lieblichen, seid ihr nicht in eurem Land geblieben, sondern auf diese Insel gekommen – um mich zu fragen, warum ich nicht in Ithaka geblieben bin?
    Wohl wahr: Wanderer, Händler, Krieger bringen Unruhe, zerstören, aber sie bringen auch Neues. Vielleicht haben unsere Ahnen irgendwo zufrieden unter einem breiten Baum gelebt und sich von dessen Früchten genährt; aber der Teich, der weder Zufluß noch Abfluß hat, beginnt irgendwann zu stinken, wird modrig, verlandet. Wer baut Häuser und Schiffe, wenn keiner aus dem Schatten des Baums treten will?
    Je länger ich unterwegs war, desto deutlicher wurde mir, daß es gut ist, unterwegs zu sein. Vielleicht, um irgendwann wieder Ithaka zu erreichen. Auf meiner Insel hatte ich Neues versucht, neue und bessere Dinge getan, aber die Insel wurde mir eng. Als Palamedes kam, habe ich der engen Vernunft gehorcht und mich wahnsinnig gestellt; am Ende des Wahnsinns fand ich den weiten Verstand. Nicht, daß ich Palamedes dafür hätte dankbar sein müssen. Früher oder später hätte ich begriffen, auch ohne ihn. Ich habe ihn gehaßt, weil er mich zu etwas gezwungen hat, für das meine eigene Zeit noch nicht reif war.
    Es gab aber nicht nur Haß. Auch Verachtung – wegen erbärmlicher Vorbereitung. Tausend Schiffe, zwanzigtausend Männer, nutzlose Streitwagen, all die Pferde und Rinder – und niemals genügend Nahrung für alle. Ankunft am hellen Tag, all dies. Ich habe geredet, im Rat, mit heißer Zunge habe ich geredet, aber sie wollten den großen Krieg, zum Nachweis achaischen Mannestums. Den großen Krieg, der alle verschmelzt, nicht den schnellen Erfolg. Gebt mir, habe ich gesagt, zwanzig Schiffe, laßt mich tausend Krieger aussuchen, vergeßt Pferde und Wagen und Rinder und euren wunderlichen Krieg. Gebt mir tausend Männer mit Waffen, Männer, die mit Waffen umgehen können, und laßt mich nachts bei Ilios landen. Ein paar von uns, mit verborgenen Waffen, gehen morgens in die Stadt, dann noch ein paar, durch ein

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