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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Sprich schnell und kurz.«
    Ninurta suchte mühevoll nach Worten. Die Überlegung – Tashmetus Überlegung, die er sich zu eigen gemacht hatte –, diesen Mann um eine Art Schutz zu bitten, erschien ihm nun wahnsinnig. Er fühlte sich benommen, fast willenlos.
    »Ein Geschenk für den Fürsten«, sagte er schließlich. Madduwattas nickte und wandte sich an Mukussu. »Nimm und zeig.«
    Ninurta sah zu, wie der fahle Mann das Tuch abermals entrollte, Schwert und Scheide herausnahm, dann das Schwert zog und – Griff voran – dem König reichte.
    Madduwattas nahm die Waffe, ließ die Klinge wippen und beben, ließ sie Licht trinken und ausspeien. Etwas wie Anerkennung kroch über die dunklen Züge. Eine düstere Schlange der Anerkennung; Ninurta fröstelte.
    »Es… lebt und will trinken.« Die Stimme, ein unmögliches leises Dröhnen wie ferner Steinschlag, füllte den Schädel des Assyrers. »Und die Frage?«
    Ninurta öffnete den Mund und schloß ihn wieder; die Zunge klebte am Gaumen. Er krächzte etwas Sinnloses.
    Mukussu bleckte die Zähne; sie waren gelb, und es sollte eine Art Lächeln sein. »Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat Prijamadu ihn mit einer Botschaft nach Ashur geschickt, wo man ihm eine Antwort mitgab. Beide Botschaften sind durch giftigen Trunk in seinem Schädel versperrt; er fürchtet, daß Prijamadu eine unangenehme Antwort unangenehm aufnimmt, und begehrt deinen Schutz.«
    Madduwattas reckte den Arm mit dem Schwert; dann hieb er durch die Luft. Das Sausen der Klinge war wie fernes Wehklagen.
    »Dafür? Gibt es davon noch mehr?«
    Ninurta nickte matt. Kalter Schweiß stieg wie Nebel aus seinen Poren und bedeckte den Körper unter der Kleidung.
    »Wir könnten«, sagte Mukussu wie nebenher, »sein Gedärm durch einen Schlitz im Bauch auf einen Zweig wickeln, bis er mehr sagt. Liegt dir an diesen Waffen, Herr?«
    Madduwattas knurrte leise, tief in der Kehle. »Die alte Geschichte zwischen Wilusa und Ashur…« sagte er. »Sie wird ihren Lauf nehmen. Gib ihm ein Siegel.«
    »Dein Ernst, Herr?«
    Madduwattas starrte Mukussu an und sagte nichts.
    Der fahle Mann hob die Schultern und ging zu einem Tisch; als er zurückkam, hielt er etwas in der Hand, das er Ninurta reichte: eine kleine Tonscheibe, auf beiden Seiten mit luwischen Zeichen versehen.
    »Nur einmal zu verwenden«, sagte Madduwattas. Nun klang die Stimme heller: ein Gewirk aus getriebenen Erzen, Hohn und Entrücktheit, Dolchen und Macht. »Sag Prijamadu, wenn er dich leben läßt, lasse ich zu, daß Männer aus Masa und Frauen aus Azzi ihm helfen. Wenn nicht, werde ich Agamemnons Freundschaft erwägen.« Er wandte sich an Mukussu.
    »Bring einen Jungen her.«
    Stille. Knistern der Kohlebecken. Harzwolken. Waberndes Licht auf der Klinge.
    »Damit du siehst, was geschehen kann, wenn du das Siegel zweimal verwendest.« Die Stimme wurde zu fernem Grollen.
    »Und damit ich sehe, wie hungrig diese feine Klinge ist.« Diener brachten eine Bronzewanne und stellten sie vor den Thron; dann kamen zwei weitere Diener mit Mukussu zurück und mit einem vielleicht sechsjährigen Jungen, nackt, die Augen voller Angst. In ein Loch in der Wanne rammten sie einen Speerschaft und banden den Jungen aufrecht daran, mit einem Lederriemen, der um die Brust geführt wurde und die Arme freiließ.
    Madduwattas stand vom Thron auf; und es begann der Tanz der hungrigen Klinge. Ninurta wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, bis endlich der Kopf neben den dampfenden Gedärmen in der Wanne lag und nicht mehr schrie. Er hätte später auch nicht sagen können, wie er nach Abasa zurückgelangt war, wo Tashmetu seine Wunden und Abschürfungen verband und ihn in den Armen wiegte. Er erinnerte sich an Hänge voller Geröll, an das gebrochene Genick des Esels, an Würgen und Erbrechen; daran, daß der Drache Mond im Abgrund der Nacht Sterne fraß, ohne Ninurtas Gebrüll zu beachten. Er erinnerte sich aber auch, wie durch einen feinen Vorhang oder Schleier, an etwas anderes: daran, daß er nichts von seinem Grauen gezeigt, daß er sich beherrscht hatte, wie es einem assyrischen Krieger zukommt. Daran, daß Mukussu ihn gemustert und für tauglich befunden hatte, um ihm (letzte Drohung? Einweihung? Köder und Züchtigung zugleich?) zu verraten, was den fünfundachtzigjährigen Herrscher so jung machte; was ihm – zusammen mit Shubuks Gunst – die Unsterblichkeit verhieß: was Madduwattas zweimal in jedem Mond aß. Das Gefäß, in dem Ninurta seine Seele barg, hielt,

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