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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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bis er Uqbar verlassen hatte; es barst erst am steilen Hang draußen.
    Er war tagelang krank. Tashmetu gab die Befehle und kühlte seinen Kopf. Als sie die große Insel Lasba, von den Achaiern Lesbos genannt, hinter sich ließen, jagte ein schwarzer Wind sie aufs Meer hinaus, wo sie einen Tag in einer Flaute zubrachten, ehe frischer Westwind sie nach Wilusa trieb.
    Die Bucht am Südende der Küstenhügel, die Ilios und das fruchtbare Flachland vom Meer trennten, war fast leer; nur wenige Schiffe lagen an der Mole. Leukippes Bateia war nicht darunter; Ninurta nahm an, daß die Trojanerin mit günstigem Wind weiter nördlich in die Meerenge des Dardanos eingebogen war und den Hafen nahe der Flußmündungen aufgesucht hatte. Im Süden, vor der grünen Erhebung der Insel Tenedos, standen einige Fischerboote.
    »Mal sehen, ob wir auch hier Beißer verkaufen können«, sagte Tsanghar, als sie an der Mole festmachten.
    »Die kennen sich mit Streitwagen aus; mach dir keine Hoffnungen.« Ninurta gelang eine Art Lächeln; es war fast der erste zusammenhängende Satz, den er seit Abasa mit jemand anderem als Tashmetu gewechselt hatte.
    »Den Göttern sei Dank!« Tsanghar klatschte in die Hände, aber sein Grinsen konnte die tiefsitzende Besorgnis nicht tilgen. »Er redet wieder mit uns. Man muß nur Umsatz und Gewinn erwähnen, schon wird er gesund.«
    Oberhalb des Strandes, halb am Küstenhang, standen einige Holzhäuser – Unterkünfte für Händler, eine Schänke, das Gebäude der trojanischen Krieger und Zöllner. Vier Frachtsegler, keiner bewacht, zeigten an, daß Händler und ihre Besatzungen entweder die Schänke leer tranken oder über die Hügel zur Stadt gegangen waren; zwei Zöllner näherten sich der Mole.
    Irgendwie war es Ninurta gelungen, das Tonsiegel des Madduwattas heil an Bord zu bringen. Er lehnte an der Heckwand und blickte seitlich ins grüne Wasser der Bucht.
    »Ein guter Nachmittag, um das zu versenken«, sagte er.
    »Was?« Tashmetu trat neben ihn; dann sah sie das Siegel in seiner Hand. »Nein! Laß…«
    Er wollte es ins Wasser werfen, aber sie schnappte es, ehe er die Hand schließen konnte.
    »Ich will die gräßliche Erinnerung loswerden. Gib her.«
    Sie berührte seine Wange mit der anderen, leeren Hand. »Es ist furchtbar erkauft worden, Liebster«, sagte sie leise. »Mit Kinderblut. Du solltest das Blut nicht sinnlos vergeuden.«
    Die Zöllner waren am Beginn der Mole stehengeblieben; sie deuteten aufs Meer hinaus, fuchtelten, drehten sich um und rannten zu den Gebäuden zurück.
    Ninurta riß sich von Tashmetus Augen los und blickte zurück, nach achtern, über die Heckwand.
    Dann lachte er. »Blut sinnlos vergeuden?« sagte er hohl.
    »Dazu sind wir gerade rechtzeitig gekommen.« Tashmetu folgte seinem Blick.
    Der ganze westliche Horizont war voller Segel – weiße , graue, braune Segel. Die Flotte der Achaier.
    »Können wir noch weg?« Lissusiris Stimme war eher ein Quäken.
    Ninurta warf einen Blick auf das eingerollte Segel, auf die verzerrten Gesichter der Männer, auf die langen Ruder, die rechts und links neben dem Mast lagen.
    »Wenn wir rennen, schaffen wir es vielleicht bis zur Stadt«, sagte er; seine Stimme kam ihm fremd vor.
    »Und das Schiff?« sagte Tsanghar.
    »Agamemnon hat genug; ich glaube nicht, daß die Kerets Nutzen ihn besonders beeindrucken wird.«
    Tashmetu legte die Arme um seinen Hals. Sehr zu seiner Überraschung lachte sie; es schien ein fröhliches Lachen zu sein.
    »Liebster«, sagte sie. »Rennen? Zu trojanischen Kriegern? Oder bleiben, bei achaischen Kriegern? Du kennst auf beiden Seiten Fürsten. Willst du das Siegel unbedingt verwenden?«
    Er schwieg, verblüfft.
    »Laß uns hierbleiben.« Sie wurde ernster; das Lachen, längst zum Lächeln geworden, schwand endgültig. »Du bist wieder gesund – was zählen da die Achaier?«
    »Du weißt nicht, was du sagst. Zehntausend Krieger… und eine Frau?«
    Sie wandte sich zu den anderen. »Was meint ihr?«
    Lissusiri hob die Schultern. Tsanghar lachte laut auf und ließ sich auf die Decksplanken sinken.
    »Wenigstens brauchen wir keinen trojanischen Zoll zu bezahlen«, sagte er.
    BRIEF DES KORINNOS (VI)
    Dies, o Djoser, mein alter Freund, ist der letzte Teil dessen, was ein argloser Jüngling schrieb. Die kraftvolle Hand, die mir den Mund verschloß, daß ich nicht mit der Zunge mein Leben unter Wortbrocken begrübe, nahm mir auch Griffel und Wachstafel, drückte mir ein Ried zwischen die Zähne und gab mir

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