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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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plündern sollten, deren Bewohner nach den ersten Zügen des Aias zu Bundesgenossen geworden waren, o wie freudig, und dem Heer ohnehin Nachschub lieferten, so gut es ging. Es betrübte den König von Mykene auch nicht, daß diese Gebiete nach einer Plünderung zu den Trojanern übergehen könnten – was von den Städten und Menschen bliebe, nachdem die Achaier über sie kamen, konnte nicht mehr erheblich sein und mochte sich mit wem auch immer verbünden; es würden nicht einmal genügend Menschen bleiben, um die Städte neu aufzubauen und die weiter nördlich wohnenden Stämme wie bisher daran zu hindern, über die Meerenge in den fruchtbaren Süden zu ziehen. Was Agamemnon Schwierigkeiten bereitete war die Befürchtung, die Trojaner könnten das Restheer überfallen. Deshalb sollte der Aufbruch nachts stattfinden, leise, verstohlen.
    Natürlich sahen die Trojaner morgens, was alle anderen auch sahen: Viele Schiffe fehlten im Hafen, und über der langgestreckten Halbinsel nördlich der Engen, kaum viertausend Schritte von Trojas Küsten entfernt, standen Rauchwolken. Die Trojaner griffen an, mit allem, was sie ins Feld schicken konnten.
    Ninurta hatte kaum geschlafen, in dieser drückenden Spätsommernacht, in der die Achaier aufbrachen, jenseits der Meerengen zu ernten, und die Götter aller Unterwelten beschlossen, neues Spielzeug für Persephone, Ereshkigal und die anderen zu beschaffen: reiche Ernte. An diesem Morgen starrte Ninurta mit verquollenen Augen auf die Rauchsäulen im Norden, dann dorthin, wohin er jeden Morgen schaute. Nach Osten, jenseits des Flusses, wo die Sonne aufging, und Tashmetu. Sie füllte den Osten und die Neustadt (manchmal, wenn er an sie dachte, stellte er sich vor, daß der Bauch, der ihr Kind, sein Kind barg, den Platz der Sieben Standbilder einnahm, den man nun Platz der Schwangeren Göttin nannte; und zu seiner Erleichterung stellte er fest, daß er noch kichern konnte) und seine Gedanken, wenn er nicht zu morsch war. Tashmetu, die das Kind nicht in heiterer Abgeschiedenheit gebären würde. Tashmetu, die ihn auffing und heilte, als er vom Berg des Madduwattas fiel. Es war wie ein Ziehen im Leib, wie bittersüßer Hunger, dieses Denken, und wenn ihm die Augen tränten, sagte er sich, daß es Schwäche sei und Schwächung. Dort drüben war alle Wärme, die er für den Rest seines Lebens brauchte, und er fröstelte im stickigen Morgen. Dann sah er die ersten Truppen aus den Toren kommen.
    Es wurde die Umkehr der Belagerung. Sie trieben die Achaier hinter die Verschanzungen zurück, befreiten die Gefangenen, brannten alle Hütten und Zelte außerhalb des Lagers nieder, jagten die kleinen Abteilungen, die die nordwestlichen Strande und alles hüteten, was dort gelagert war, in die ölig schwappende See, drangen von den Seiten her, über die Hügel und durch den Fluß, ins Lager ein, kämpften sich zu den Schiffen vor. Hektor raste wie eine Feuersbrunst durch die Reihen der Achaier, immer wieder angefacht von Paris, der wie ein Gewittersturm tobte.
    Zweifellos würde man später Geschichten erzählen und Lieder singen; falls man es nicht vorzog, dies alles zu vergessen. Die Sänger würden diesen und jenen Helden preisen, wie es Sängern und Helden zukommt; aber wie sollten sie von zehntausend hungrigen Männern berichten, die in der hartgebackenen Erde des trockenen Sommers kaum noch Mulden für die Gebeine anlegen konnten; Männer, die durch Kot wateten, der aus übervollen Gräben stieg und wanderte? Konnten Sänger oder Erzähler, Jahre und Meere entfernt, das herrliche Entsetzen erfassen, das Feuer im Bauch war und Wut und Inbrunst und scharfe Klinge im Gedärm des Gegners, die gräßliche Wonne, um ein Leben zu kämpfen, das wenige Atemzüge zuvor öde und sinnlose Plage gewesen war? Den unendlichen, ungeheuren Haß der Männer auf die Memme Achilleus – Achilleus, der in seinem Zelt saß und in süßen Wein heulte, den er aus einem goldenen Kelch trank – Achilleus, der wegen einer Frau schmollte und sich mit Macht und Lust grämte, während die Männer, die seine Kraft gebraucht hätten und sein Zelt schützten, in den Pfützen aus seiner Pisse und seinen Tränen verbluteten? Ah, ja, auch Khanussu kämpfte: schoß Pfeil um Pfeil ab, bis der Köcher leer war, und griff zum Schwert wie Ninurta, wie die anderen – die anderen, immer weniger, immer tapferer; Idomeneus glänzte und Diomedes leuchtete und Menelaos überstrahlte alle außer Agamemnon, der vielleicht zusammen mit

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