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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Söldner, ein Libu-Mann. »Wäre ganz schlecht für die Kampfkraft.«
    Die Gefährten, die ihn zu bewachen hatten, mußten ihre ganze Habe mitschleppen, dazu die Beutestücke aus der Schlacht; Ninurta trug nur Waffen, Rüstung, einen Beutel mit Getreide und Trockenfleisch sowie eine Decke. Allerdings gehörte zu den Waffen ein Bogen samt Köcher, Geschenk (oder Verpflichtung?) von Khanussu. Der Assyrer zögerte den Aufbruch hinaus, solange es ging, aber seine Hoffnung, jenseits des Flusses jemanden zu sehen, dem er eine Nachricht zurufen konnte, erfüllte sich nicht.
    Die erbärmliche Versorgungslage des Heers machte die Arbeit an den Pferchen der Gefangenen nicht leichter. Eine betäubende, unaufhörliche Plage, die Kraft nahm und den Schlaf unterhöhlte und das Gemüt mürbe machte; eine lähmende Kette gleichförmiger Glieder, die zahllose Tage und Nächte waren und zu Monden wurden. Fast vier Monde, bis er wieder die Neustadt betrat; aber es konnten auch vier Jahrhunderte sein, und Ninurta hörte bald auf, die sengende Sonne nach Auf und Untergängen zu bewerten, denn sie war nichts als Brand und Folter, kaum gemindert durch kurze Güsse aus den häufigen Wolken an der Meerenge.
    Schon am ersten Tag erfuhr er vieles. Sämtliche Rinder waren längst geschlachtet und gegessen, ebenso die überzähligen Pferde. Schweine gab es nicht mehr; der Lämmerkopf am Arm von Menelaos kam ihm wie ein nächtliches Gesicht vor. Auch die Fürsten lebten von dünnem sauren Wein, von Körnern, die sie im Wasser quellen ließen, von kargen Resten an Trockenfleisch und Trockenfisch. Nach der Schlacht, hieß es, habe man einige Männer gesehen, die Waden und andere Teile von Gefallenen über ihren Feuern brieten. Abgesehen davon machte nicht einmal die Menge an Gefallenen – fast zweitausend Achaier, wie es hieß – viel aus; die Hüter der Nahrung dachten nicht daran, den anderen mehr zuzuteilen, sondern horteten mehr. Streiftrupps in der Umgebung kamen mit leeren Händen zurück; wenn sie sich weiter ins Hinterland wagten, brachten sie manchmal noch ein wenig an Früchten und Getreide mit sowie Fleisch von Tieren, gleich nach der Erbeutung geschlachtet und gebraten. Oft kamen diese Trupps aber überhaupt nicht zurück, denn jenseits der Stadt waren die Trojaner die Herren, und außerdem hielt der Zustrom an Kampftruppen trojanischer Verbündeter an. Aus den Heimatstädten der Achaier kam kein Nachschub; was (selten) freie Händler brachten, reichte immer nur für ein paar Tage.
    Die Trojaner wußten, wie es im Lager aussah. Offenbar war Priamos doch nicht so vergreist, wie Ninurta angenommen hatte, denn irgend jemand – wer, wenn nicht der König? – zügelte die ungestümen Söhne: Trojas Kämpfer blieben in der Stadt, die Kämpfer der Verbündeten ebenfalls – in ihrem Fall war es vor allem die Neustadt –, und alle Versuche der Achaier, eine Entscheidungsschlacht herbeizuführen, scheiterten am Schweigen des Königspalasts. Offenbar gab es in Troja genug zu essen, oder jedenfalls so viel, daß kein Hunger herrschte.
    Zweimal kam es in diesen Monden oder Jahren trotzdem zum Kampf. Zunächst forderte Agamemnon erneut die Übergabe von Helena, dazu Gold; als Priamos ablehnte (oder ablehnen ließ), schleiften einige Männer (Skythen, die vor nichts zurückschreckten, dazu Kerntruppen aus Mykene und natürlich Ithaka) den von Aias aus Thrakien mitgebrachten Polydoros, Sohn des Priamos, zum Westufer des Skamandros, banden ihn an ein Bündel in den Boden gerammter Speere und steinigten ihn. Dies wurde den Trojanern zuvor angekündigt, und sie machten einen Ausfall mit allem, was schnell genug zu den Waffen greifen konnte. Polydoros war bereits tot, als die ersten durch den Fluß kamen, unter dem Hagel der Pfeile – Ninurta mußte mit, aber nachdem er die zerfetzten Reste des Königssohns gesehen hatte, die an diesem Bündel-Pfahl hingen, versuchte er nicht zu zielen. Immer mehr Trojaner und Bundesgenossen drängten nach, die Achaier ließen sich zurückfallen und erhielten Verstärkung. Nach und nach war etwa die Hälfte beider Heere verwickelt; der Kampf dauerte bis zum Abend, fast so blutig wie die erste Schlacht. Diesmal hatten auch Khanussus Söldner Verluste – drei Shardanier, ein Libu- Mann und einer der Fremden aus dem Osten.
    Irgendwann später fand die dritte Schlacht statt. Ninurta hatte das Zeitgefühl verloren; die Welt war eine Abfolge aus Hungermahlzeiten und Arbeiten: Austeilung der ärmlichen Korn und

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