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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Wassermengen an die Gefangenen; aufräumen; Kotgräben zuschütten und neue ausheben; Leichen zu Stellen schleppen, die nach Meinung des gerade zuständigen Fürsten nicht mit den Trinkwasserquellen verbunden waren; aufräumen; Gruben ausheben; immer wieder von Überfällen gestörter Schlaf, kaum reichlicher als die Nahrung. Die Trojaner gingen dazu über, nachts durch die Ebene zu kriechen und einzelne Kämpfer oder Gruppen, die weit vor dem Lager ruhten, schnell und still auszulöschen. Phrygier, hieß es, und Thraker; beide seien besonders gut im Umgang mit Messern und Kehlen. Manchmal schwammen oder wateten sie auch durch den Fluß und tauchten unmittelbar an der Ostseite des Lagers auf.
    Dann wieder mußten Schiffe entladen, an Land gezogen und zu Feuerholz zerlegt werden, oder ein trojanischer Nachtangriff (einmal jagten sie brennende Streitwagen gegen die Holzverhaue, wobei die kreischenden Pferde mehr Schaden anrichteten als das Feuer) zeigte, daß der Wall hier oder da doch nicht sicher war und ausgebessert werden mußte.
    Agamemnon machte fast täglich die Runde, sprach mit Unterführern und einfachen Kriegern, suchte sie zu ermuntern, versprach ungeheure Beute, sobald erst… Er gab sich Mühe, aber allmählich glaubte niemand mehr an dieses »sobald«. Vor allem nicht so bald.
    Wenn er nicht zu erschöpft war (manchmal schliefen die Männer im Stehen ein, von Hunger und Schlafmangel und Hitze zermürbt), lauschte Ninurta den Geschichten, die die Söldner einander erzählten. Es waren immer die gleichen Geschichten, nach einiger Zeit wiederholte sich alles, aber besser diese Wiederholung als lediglich die tägliche Wiederholung von Plage und Notdurft. Nach zwei oder drei Versuchen gab er es auf, im Dunkel zum Fluß zu gelangen und, vielleicht, hindurchzuwaten, in die zweifelhafte Freiheit der trojanischen Seite. Einmal fing Khanussu ihn ab (der lange Mann schien kaum je zu schlafen), einmal stolperte Ninurta über einen schlummernden Achaier, der laut brüllend erwachte und sich an ihn klammerte.
    Hin und wieder, in immer größeren Abständen, wenn die Zeit vorübergehend aufhörte, ein Schlangenknäuel um seinen Hals zu sein oder ein von fetten Maden wimmelnder Himmel oder unablässiges Dröhnen innerhalb des Schädels – hin und wieder suchte er eine Erklärung für jenen Vorgang, der zur ersten Schlacht geführt hatte. Natürlich waren beide Seiten von vornherein nicht bereit gewesen, sich an die heiligen Eide zu halten; wer konnte denn auch angenommen haben, die Achaier würden – nach all den Vorbereitungen über Jahre, nach der Fahrt, nach den ersten Gefechten – alles abbrechen und heimkehren, nur weil Menelaos vielleicht einen Zweikampf verlor? Oder daß die Trojaner, sicher verschanzt und Herren des Landes, vielleicht sogar bereit, nach einem Zweikampftod des Parisiti Helena auszuliefern, auch noch große Mengen Gold und Silber dazulegen würden?
    Die Fürsten hatten es gewußt; aber offenbar hatten viele der einfachen Krieger daran geglaubt. Oder darauf gehofft, und Hoffnung zeugt Glauben, und Glaube macht blind. Sie hatten mit den Trojanern, Waffenbrüder allesamt, gezecht und gegessen (als es noch zu zechen und zu essen gab) und gelacht, am Feuer; warum sollten sie einander die Leber aus dem Bauch schneiden?
    Es war, dachte er, als habe man zwei Ströme gestaut, und das hinter den Staumauern verschwundene Wasser war nicht mehr da – man tat so, als sei es nicht mehr da. Bis jemand aus jeder Mauer einen Stein schoß. Alle hatten den Verrat, den Eidbruch der eigenen Seite gesehen, und dennoch hatten sich alle mit furchtbarer Wut auf die Gegner gestürzt, die Verräter, Zechfreunde und Waffenbrüder des Vorabends.
    Er war nicht der einzige, der darüber nachdachte; aber von den Einfältigen, die grübelten, war er der einzige, der den Ausbruch der Schlacht nicht Ränken zuschrieb, die die Götter gegeneinander und gegen die Menschen ausheckten. Die minder Einfältigen – Khanussu, zum Beispiel – grübelten gar nicht erst; der Shardanier sagte lediglich, es gebe weder einen Grund zum Kämpfen noch einen Grund zum Nichtkämpfen, also täten die Menschen überall das, was sich von selbst ergäbe.
    Die dritte Schlacht: beinahe der Untergang der Achaier. Agamemnon hatte sich dazu durchgerungen, fast die Hälfte des Heers zur Nahrungsbeschaffung nach Norden und Osten zu schicken. Was ihn dabei die meiste Entschlußkraft kostete, war nicht die Tatsache, daß die Krieger Gegenden überfallen und

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