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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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kippte einen weiteren Stand um, wünschte, er hätte auch die Hände frei, kroch weiter auf den Knien, auf dem Bauch, erreichte eine Stelle, wo zwischen zwei Häusern ein Spalt, kaum Durchgang zu nennen, sich öffnete, sah Lamashtu darin verschwinden, drückte sich hinein, geduckt, lief und wartete auf den geschleuderten Speer, das Brennen einer Schwertspitze, das Gebrüll eines Kriegers, irgendwas.
    Nichts, nur das Durcheinander von Stimmen, ein weiteres Wiehern, ein Schmerzensschrei, als offenbar jemand von einem Pferdehuf getroffen wurde. Keuchend erreichte er das Ende des Durchlasses, wandte sich nach rechts, zögerte, machte kehrt, nach links, lief die lehmige Gasse entlang, fand den Hof, an den er sich erinnerte, mit bemalten Steinpfosten und einem hölzernen Türsturz darüber.
    Lamashtu kauerte gleich links, zwischen einem Handkarren und der Hofmauer. Sie lächelte, als er ihr wortlos die gefesselten Hände hinhielt. Mit dem scharfen Stein, den sie bei der Flucht nicht verloren hatte, begann sie, die Schnüre an seinen Handgelenken zu zertrennen.
    In der geringen Zeit, die dies in Anspruch nahm, sah er sich um. Die Mauern aus lehmverfugten Feldsteinen zur Gasse und zum Nachbarhaus mochten hier und da erneuert sein, der Hof aus gestampftem Lehm war aufgeräumter als damals (nur der Handkarren, ein hölzernes Joch, ein Holzeimer und ein paar Hacken lagen herum; Ninurta erinnerte sich, daß er bei seinem ersten Besuch über geborstene Bildsäulen, Bündel von Lanzenschäften, Kupferplatten und Körbe voller Krimskrams hatte klettern müssen), das zweigeschossige Gebäude rechts vom Tor – unten Stall, oben Lager – war frisch geschlämmt, und die zum Wohnhaus führenden sieben Stufen bestanden aus neuen, hellen, säuberlich behauenen und verfugten Steinplatten. Der Wohlstand des edlen Händlers Buqar schien nicht vermindert: Im Obergeschoß, wo die Schlafräume lagen, lupfte eben ein Windstoß den Wollstoff, mit dem eine der Fensteröffnungen verhängt war – schwerer, feinstgewebter Stoff mit Goldfäden.
    Endlich war es Lamashtu gelungen, die Lederschnüre zu zerfetzen. Ein wenig Haut am rechten Handgelenk fehlte. Die Frau, die immer noch kniete, führte Ninurtas Hand an den Mund und berührte die wunde Stelle mit der Zunge. Er strich mit der Linken durch ihr kurzes schwarzes Kraushaar.
    »Komm. Sie werden uns suchen«, sagte er. Lamashtu stand auf. Im Licht der Nachmittagssonne sah er zum ersten Mal, daß sie verschiedenfarbige Augen hatte: das linke fast schwarz, das rechte grüngesprenkelt.
    Er wandte sich ab und ging zu den Stufen.
    Sie traten durch die mit Schnüren verhängte Öffnung in eine geräumige Diele, deren Boden aus bunten Tonfliesen bestand. Ninurta räusperte sich mehrmals laut. Als nichts geschah, nahm er den engen Gang nach links. Die zweite Öffnung, mit dünnen Lederschnüren, führte in Buqars Arbeitszimmer – wenn alles noch so war wie damals.
    Vor einem Regal aus hellem Holz voller Tafeln und Erzfinger und (vermutlich beschriebener) Tierfelle lag ein etwa vierzigjähriger Mann auf einer breiten, niedrigen Liege. Er schlief; das sanfte Schnarchen war erst im Raum zu hören. Eine feine Wolldecke verbarg einen Teil des Gesichts.
    Ninurta ging vorsichtig näher und zupfte am Tuch. Dann atmete er auf, lächelte und berührte die Schulter des Schlafenden. Der Mann knurrte, bewegte den Arm, als wolle er Fliegen verscheuchen, und öffnete endlich die Augen.
    »Meister des Umsatzes«, sagte Ninurta leise. »Freund der günstigen Gelegenheiten und Horter edler Metalle. Ein entflohener Assyrer und eine heilkundige Frau aus dem Land zwischen den Strömen begehren deinen Schutz.«
    Buqar setzte sich nur langsam auf, aber die dunkelgrauen Augen war jäh wach. »Wem bist du entflohen, Ausbeuter der Leichtfertigen?« sagte er. »Kein Grund, hier zu flüstern. Sechs Jahre? Acht? Wie lange… ah, das kann warten. Sprich. Und setzt euch.« Er wies auf Lehnstühle aus dunklem Holz und weichem Leder.
    »Wir sind verdreckt, Freund; laß uns stehen. Es hat dem Herrn von Ugarit gefallen, mich als besonderes Geschenk für die Sonne von Hattusha einzuwickeln und mit anderen Sklaven und Gefangenen loszuschicken.«
    »Wieviel Mann Bedeckung?«
    »Zwei Dutzend.«
    »Hm. Wo seid ihr geflohen? Hier?«
    »Auf dem Marktplatz, zwischen schimpfenden Bauern und platzenden Früchten.«
    Buqar rümpfte die Nase. »Sie werden euch suchen. Kommt mit.«
    Er stand auf, grinste plötzlich, hieb dem Assyrer auf die Schulter

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