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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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sechsjährigen Sohn, der mit aufgerissenen Augen und einem Würgen im Hals dastand und starrte, diese unvergessene wiewohl unbehagliche Wahrheit gesagt: »Wenn etwas Unerfreuliches getan werden muß, mein Sohn, tu es sofort, ehe es noch unerfreulicher wird.« Dann hatte der dunkelhäutige Sklave und Freund des Vaters dessen Arme gepackt und festgehalten, und der Heiler hatte mit einer schartigen Säge die Splitter und Fetzen, die einmal Kewabs linker Unterschenkel gewesen waren, am Knie abgeschnitten. Ein Karren mit Steinen, zu hoch beladen, war zusammengebrochen, als Kewab danebenstand.
    Djoser wußte (und bedauerte, manchmal), daß er von den Eltern Schwere, Ernst und Frömmigkeit geerbt hatte. Die Frömmigkeit hatte den Umgang mit anderen Menschen und tausend anderen Göttergeschichten nicht überdauert, aber… Er kratzte sich den Kopf. Es half nichts. Zaqarbal könnte das jetzt besser erledigen, würde das, was geschehen war, der Handelsfürstin zweifellos schmackhafter übermitteln. Zaqarbal hatte andere Weisheiten, schmackhaftere – »was du heute kannst verschieben, das verschiebe nicht erst morgen«, oder so ähnlich. Die Erinnerung an den Satz, eine Art Vers in der Sprache der Chanani, sorgte dafür, daß Djoser in dieser anderen Sprache weiterdachte, in der Djeden Sidunu hieß und Iqarat Ugarit, und in der er Tashmetu etwas Unerfreuliches sagen mußte, ehe es noch weniger schmackhaft wurde.
     
    Sie saß im Heckraum, unter dem erhöhten Deck, in einem geschnitzten, mit den Bodenplanken verleimten Armstuhl aus schwarzem Holz mit Einlagen aus Elefantenzahn. »Ist er auf dem anderen Schiff?« sagte sie nach der Begrüßung.
    Dann lauschte sie. Im unsteten Licht der beiden Öllampen, die in der Abendbrise flackerten (als ob die nahende Nacht und meine Nachricht das Leuchten mit Schwärze versetzten, dachte er), erstarb das grüne Sprühen ihrer Augen. Djoser hatte sich nicht auf den leichteren Klappstuhl gesetzt; er lehnte an der Trennwand zum Hauptdeck, redete, blickte weg von Tashmetus Augen, sah die schweren teuren Kisten, die weichen dicken Teppiche, den Wandbehang aus feinster vielfarbiger Wolle, der eine Löwenjagd darstellte, sah den Tisch an und das breite Bett, die Felle und Kissen und Decken, auf denen sie sich jetzt mit Ninurta hätte wälzen sollen, schaute dann wieder in das beherrschte Gesicht, die schimmernde Haut, braun wie aus Sahne und Honig frisch gebranntes Naschwerk, das Grübchen im Kinn, die hohen Wangenknochen, die Augen, die geöffnet waren und nicht mehr leuchteten: Fenster zu einem hellen Raum, plötzlich von feinen Vorhängen geschützt. Damit die Wärme nicht hinaussickerte, oder damit kein Luftzug hereinkam?
    »Es ist wohlgetan«, sagte sie mit rauher Stimme, als er fertig war. »Ihr habt getan, was getan werden mußte. Und wir hatten recht mit unseren mißtrauischen Überlegungen.«
    Djoser löste sich von der Trennwand. Er wischte sich die Stirn, fühlte Schweiß unter den Armen und am Rücken, kalten Schweiß; langsam ließ er sich auf den Klappstuhl sinken.
    »Nicht mißtrauisch genug«, sagte er. »Sonst hätte er dafür gesorgt, daß nicht nur Lamashtu und Tsanghar in der Nähe sind.«
    Tashmetu verschränkte die Arme, wie eine machtlose Wehr.
    »Dann hätten nicht sechs, sondern zwölf Hatti auf ihn gewartet. Oder drei Dutzend. Er wußte, was ihn möglicherweise erwartete, und wir haben in der letzten Nacht darüber gesprochen.« Sie versuchte ein Lächeln, beugte sich vor und legte die Rechte auf Djosers linken Unterarm. »Schüttle die scharfkantigen Steine von deiner Leber, Rome. Es ist nicht deine Schuld. Er hat damit gerechnet. Er hat auch gesagt, wenn die Unterredung mit Hamurapi einen Tag später stattgefunden hätte, wenn sie zu verschieben gewesen wäre, wäre sie gar nicht zustande gekommen; er wäre mit den beladenen Schiffen losgesegelt, ohne abzuwarten, was der König sagt.«
    Djoser kaute auf der Unterlippe. Er und Zaqarbal hatten erwogen, den sieben Hatti-Schiffen zu folgen, in der Hoffnung, irgendwo, vielleicht in Ura, etwas tun zu können. Er sagte es, und Tashmetu schüttelte den Kopf. Gegen sieben Schiffe mit Kriegern sei nichts zu unternehmen, und Ninurta selbst habe ja angeordnet, daß die in langen Jahren des Handels aufgehäuften Schätze nicht wegen eines Mannes aufs Spiel zu setzen seien.
    »Habt ihr denn alles an Bord bringen können, ohne daß Zöllner und Kaimeister es bemerkt haben?«
    Djoser grinste schwach. »Ninurtas List, Herrin. Sie haben

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