Troja
niemanden an, der sie von weitem sah. Von See aus unsichtbar gab es jedoch ein grünes , üppig bewachsenes Tal hinter den Felswällen; es gab Süßwasserquellen, unzugängliche Höhlen und eine vom Meer aus nicht einmal zu ahnende große Grotte für die Schiffe.
»In Yalussu haben wir Lagerhäuser. Dort werden wir alle unzuverlässigen Leute aussondern.«
Tashmetu nickte. »Ich habe damit gerechnet. Eure überzähligen Sklaven und ein Teil meiner Besatzung, nicht wahr?«
Während sie über die Insel sprachen, lauschte Djoser immer wieder in die Nacht. Kein Knirschen eines Bugs auf Sand, keine locker federnden Schritte. Zaqarbal war noch nicht angekommen. Widerstrebend sagte sich Djoser, daß ihm dies durchaus recht war; er genoß es, ohne den Mann aus Sidunu und seine allzu hurtige Zunge hier zu sitzen und mit der schönsten Frau von Ugarit, die noch dazu klug und reich und anmutig war, Wein zu trinken. Dann erschrak er ein wenig über diesen Gedanken. Und dessen Weiterungen.
Tashmetu setzte ihren Becher ab und schnipste vor seinem Gesicht mit Daumen und Mittelfinger der Rechten. »Träumst du, Rome?«
»Vergib mir, Tashmetu – ich war in Gedanken.«
»Weit weg oder in der Nähe?«
Er fühlte sich unbehaglich und versuchte zu lachen; die grünen Augen schienen in irgendwelche Winkel seines Inneren zu schauen, in denen er lieber allein herumlungern wollte. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt.
»Sowohl als auch«, sagte er.
Sie hob einen Mundwinkel. Verächtlich, spöttisch, aufmunternd? Er wußte es nicht.
»Du lügst nicht gut, Djoser. – Glaubst du, er ist tot?«
»Ich möchte es ihm fast wünschen«, sagte er ernst. »Was auf ihn wartet, könnte schlimmer sein als der Tod. Die anderen, die man auf die Schiffe nach Ura gebracht hat, sind Sklaven, Verbrecher, säumige Schuldner, Gefangene aus kleineren Grenzgefechten mit Arami. Sie werden für die Hatti rudern oder kämpfen oder in Steinbrüchen arbeiten, nehme ich an. Aber wie ich deinen edlen König kenne, hat Hamurapi mit Ninurta Besseres vor – besonderes Geschenk des Herrn von Ugarit an Shupiluliuma. Der, wie wir alle wissen, Assyrer besonders liebt.«
»Kann man den Hatti entkommen?«
Djoser breitete die Arme aus. »Wenn einer über Bord fällt, kann er ertrinken. Er kann auch schwimmen. Wenn er viel Glück hat, kommen Schweinsfische vorbei und tragen ihn an Land.«
»Ninurta ist gerissen.« Sehnsucht klang aus der Stimme.
»Diese Frau, die bei ihm ist…?«
»Lamashtu?« Djoser berichtete vom langen Marsch durch die Steppe, von Ninurtas Verletzung, von Lamashtu, Tsanghar und Adapa, die geholfen hatten, ihn zu heilen, und dafür freigelassen wurden. »Sie ist… herb«, sagte er schließlich. »Ich glaube, sie hat Schlimmes erlebt. Und überlebt. Vielleicht auch dies.«
»Es könnte sein, daß beide im nächsten Sommer auftauchen. Oder daß beide jetzt schon tot sind.«
»Erst wird der Herbst enden, dann kommt der Winter, danach?« Djoser hob den Becher. »Wir wollen zusehen, daß der Winter erträglich wird. Daß wir schnell zur Insel kommen, ehe die Stürme einsetzen. Daß wir in Yalussu die Unzuverlässigen ausscheiden. Und« – er gluckste – »daß wir in Yalussu Gänse kaufen.«
»Gänse? Wozu willst du Gänse kaufen?«
»Man kann sie rupfen und braten. Das Fleisch wärmt im Winter, aber nicht nur dann, den Leib. Und die Federn, zerschnitten und in Tücher gehüllt, sorgen für ein warmes Lager.«
»Da gibt es andere Möglichkeiten.« Sie sah ihm in die Augen. »Ist das alles, wozu du Gänse brauchst?«
Er bewegte sich auf dem Stuhl; ihm war heiß und kalt zugleich. »Es hat mit dem Krieg zu tun«, sagte er mühsam. »Im Krieg braucht man Waffen. Schwerter aus Eisen sind besser als die aus siparru . Wir haben gute Schmiede auf der Insel. Nicht genug Holzkohle und Brennholz; diese Dinge müssen wir auf die Insel bringen. Aber wenn der Krieg uns nun in Gefahr bringt und den Handel beschränkt, wollen wir wenigstens versuchen, an den Kriegern zu verdienen. – Wie ist die Lage hier, in Koriyo und überhaupt im Westen der Insel?«
»Söldner.« Die Ugariterin wies dorthin, wo in der Dämmerung außerhalb des Schiffs Land war. »Einige Krieger der vertriebenen Stadtfürsten, ein paar Kämpfer, Luwier, die Madduwattas geschickt hat – viele kann er nicht entbehren. Ein paar Leute aus Wilusa sind auch dabei. Vor allem aber fremde Söldner. Aus dem hohen Norden, aus dem Westen, von fernen Inseln. Thraker, Paionen, Illyrier, Shardanier,
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