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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Verkörperung von Macht, ausgestattet mit dem Willen, sie anzuwenden; bekümmerte Anteilnahme; eisige Rücksichtslosigkeit… Später konnte Zaqarbal nicht alle Gesichter des Mannes heraufbeschwören; zu schnell wechselten die Mienen, zu vielfältig waren die Abstufungen. Er erinnerte sich an anderes: den Ruch von Meerwasser, von brennendem Holz, Wein, Leder, von ungewaschenen Männern am nahen Feuer, all dies vermengt mit der schweren bitteren Süße von Geißblatt und anderen Pflanzen oberhalb des Strandes. An den Anblick des Mannes, der ihm gegenübergesessen hatte, einen funkelnden Ring am kleinen Finger der Linken, in der Rechten den Weinbecher, den dunkelroten Umhang über dem knielangen hellen kitun . An den kalten Hauch der Nachtluft, das Gefühl, in einer schwappenden Herbstwoge zu ertrinken. Und an die Einzelheiten des Gesprächs, ein Gemenge aus Wahrheiten, Halbwahrheiten, feinen Lügen und schmackhaften Ködern.
    Zunächst tauschten sie unverbindliche Grüße und Freundlichkeiten aus, aber bereits hier sah – oder ahnte – Zaqarbal die Umrisse des Hakens unter der schmackhaften Umhüllung. Mukussu beteuerte, daß es ihm Freude und Erfüllung sei, endlich einem der ruhm und erfolgreichen Händler des Fürsten von Yalussu zu begegnen; etwas in Zaqarbals Miene oder Haltung schien ihn zu warnen, und sofort veränderten sich Tonfall und Richtung seiner Rede. Zaqarbal empfand das Treffen als körperlich anstrengend und wünschte sich insgeheim, zuhören zu dürfen, wie Ninurta mit Mukussu sprach. Aber Ninurta war nicht da, Mukussu dagegen so sehr, daß er den ganzen nächtlichen Strand einnahm.
    »Aber sprechen wir nicht von meiner Wonne, und auch nicht vom Wohlergehen eures geschätzten Fürsten, des Herrn Keleos von Ialysos.« Mukussu wischte den Schmeichler weg, indem er sich mit der Hand übers Gesicht fuhr; es kam ein kühler Gelehrter zum Vorschein, der geraffte Auskünfte über Wesen und Geschichte jener Macht gab, der er diente.
    Arzawa, sagte er, sei anfangs nur ein kleines Stück Küste und Bergland gewesen, etwa zwischen Samirana [Smyrna] und Abasa [Ephesos], bewohnt von Luwiern und wenigen mykenischen Auswanderern. Als sich, vor Jahrhunderten, die Haiti immer weiter ausdehnten und von Osten her vordrangen, um immer mehr Land zu erobern, seien Flüchtlinge aus dem Inneren bis nach Arzawa gelangt, dessen Könige Widerstand gegen die Hethiter zu leisten beschlossen. Nicht immer erfolgreich – es habe Kriege gegeben, Besetzungen durch Hatti- Kämpfer, man habe Abgaben entrichten müssen, sich aufgelehnt, die Hatti zurückgeschlagen, sei wieder besiegt worden, hin und her. Zu den Mykeniern kamen Achaier, zu den Luwiern hundert andere Völker und Stämme: Wanderer oder Flüchtlinge. Im ständigen Kampf gegen die Hatti mußte Arzawa wachsen, um nicht unterzugehen (Mukussu klang, als ob er dies voller Gram bedaure). Er selbst sei in Arzawa geboren. Die Geschichte des winzigen Fürstentums im Inneren, aus dem Madduwattas stamme, sei sehr ähnlich: Grenzmark der Hatti, dann Grenzmark der Arzawer, dann wieder überrannt, ausgesogen und verlassen von Mykeniern und Achaiern aus dem Land, das sie Pamphylien nannten. Gegen sie habe sich Madduwattas mit den Hatti verbündet, dann mit Arzawa gegen die Hatti, dann mit den Masa-Leuten gegen Hatti und Arzawa – hier wurde Mukussu zum einfältigen und doch zwinkernden Bewunderer eines listigen Fürsten. Schließlich habe er seine Tochter dem König von Arzawa zur Frau gegeben, und nach dem bedauerlichen frühen Hinscheiden des Königs sei es Madduwattas’ Pflicht gewesen, sich der verwitweten Tochter und der gewissermaßen verwaisten Arzawer anzunehmen. Er selbst, Mukussu, habe sich mit der Tochter eines Achiawa- Fürsten aus Pamphylien vermählt, der wiederum durch allerlei Sippenverstrickungen mit den vertriebenen Fürsten der Insel Alashia (er klopfte auf den Strandboden) verbunden sei.
    »Das heißt, ihr beide beherrscht nun fast alles Land südlich von Wilusa und westlich der Hethiter«, sagte Zaqarbal. »Und dein roter Umhang? Ich hörte von Priestern und Menschenopfern…«
    Mukussu war ganz offenherziges Staunen. »Hin und wieder ein unreifer Knabe, zu Ehren des großen Drachen Shubuk, der uns stärkt und Madduwattas Langlebigkeit, wenn nicht gar Unsterblichkeit gewährt. Ist das so schlimm?« Das offenherzige Staunen wurde zu lüsternem Lauern. »Liebst du denn Knaben?«
    »Nein. Aber ich war einmal einer.«
    Mukussu seufzte leicht, ganz Verständnis und

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