Trojanische Pferde
ihrem Wissen zu Jassar gegangen war.
Ihr Gesicht war verzerrt, ihre Atmung flach. Sie fühlte irgendetwas Feuchtes auf ihrem Gesicht, setzte mühsam eine Hand in Bewegung, um es abzuwischen. Es musste Ibrahims Blut sein, das hochgespritzt war und sie befleckt hatte. Sie wollte sich übergeben. Sie spürte jede Unebenheit der Straße, roch die Rückstände derExplosion und den Knoblauch im Atem des Mannes, der sich auf dem Fußboden des BMW über sie gequetscht hatte.
Und was jetzt? Wohin sollte die Flucht gehen? Würde Tom sie aus Saudi-Arabien hinausbringen können? Sie musste sich da ganz auf Tom verlassen. Tom und seinen makellosen Plan. Nein, das war nicht fair. Er hatte sie auf die Risiken aufmerksam gemacht. Ibrahim war tot, Jassar war am Leben; so viel immerhin hatten sie erreicht. Schuldgefühle explodierten in ihrem Innern: Der Anführer des Trupps und mindestens zwei seiner Leute waren umgekommen, und die Verantwortung dafür lag bei ihr.
O mein Gott.
Sie hatte außerdem zwei unschuldige Menschen erschossen, die Wachleute, und die anderen Wachleute, die getötet worden waren, kamen auch auf ihre Rechnung. Hätte sie nicht darauf bestanden, den Plan zu ändern, wäre das alles nicht passiert. Ihr Herz heulte auf, verzweifelt, verloren. Und Jassar würde sie trotzdem nicht wiedersehen.
Unmöglich. Sie musste einen Weg finden, später wieder zurückzukommen. Aber wie konnte sie Jassar gegenübertreten? Unerträglich der Gedanke, dass er um ihre Verstrickung wusste – um ihre Mittäterschaft sogar. Und man würde ihre Waffe finden. Sie konnte auf keinen Fall zurückgehen. Man würde sie wahrscheinlich töten. Verzweiflung lähmte ihre Gedanken.
Das Tonband!
Sie würde es sich von Tom geben lassen. Das war er ihr schuldig. Schuldig? Gab es so etwas in diesem Gewerbe? Ja, sie würde sich das Band besorgen, auf dem Ibrahim schwor, seinen Vater zu töten, und damit dann zu Jassar gehen. Die Frage war nur, ob Tom mitspielte.
Das würde sie schon hinkriegen. Tom überzeugen. Sie musste es unbedingt. Sonst wäre sie nur noch auf der Flucht, für immer von Jassar entfremdet. Oder tot. Plötzlich wurde der Wagen langsamer, schien zu halten, dann heulte der Motor noch einmal auf, und es ging eine Rampe hoch. Der Motor wurde abgestellt. Das grobe Gewebe der Abaya scheuerte an ihren Schenkeln, während der Mann über ihr sich auf ihr abstützte, um sich zu erheben. Sie hörte die Wagentüren auffliegen, das Gescharre und Gerumpelbeim Aussteigen der Männer. Sie atmete stoßweise. Verzweiflung und Panik bedrängten sie gleichzeitig.
Als sie aus dem Auto kletterte, sah sie, dass sie sich in einem trübe beleuchteten Sattelschlepper befanden, dessen Türen bereits geschlossen waren und der jetzt mit einem Ruck anfuhr. Als er beschleunigte, verlor sie das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Vier Männer in Kampfkleidung waren neben ihr niedergesunken, schwitzend und von Staub bedeckt, einer kniete und rieb sich den Schenkel, während ein anderer sich seiner annahm. Einer der Männer half ihr auf.
»Wir haben dich aus dem Krater gezogen«, sagte er.
Sie wandte die Augen ab. »Danke.«
»Wie viele Männer haben wir verloren?«
»Ich habe drei gesehen«, sagte Sasha. »Den Gruppenführer eingeschlossen.«
»Verdammt«, flüsterte der Mann, der sich das Bein gerieben hatte.
»Er ist nicht mal rangekommen an das Zielobjekt«, sagte ein anderer.
»Ich aber«, sagte Sasha.
Vier Augenpaare richteten sich auf sie. »Ganz sicher?«, fragte der Mann mit dem verletzten Bein.
»Ganz sicher.« Sasha sah ihm ins Gesicht. »Aus kurzer Entfernung. Zwei Schuss. Aus der Beretta Cheetah des Gruppenführers. Ich hatte auch so eine.« Sie spürte ihre unverwandten Blicke. Es war nicht zu erkennen, ob Entsetzen oder Bewunderung aus ihnen sprach, oder einfach nur Überraschung. Ihre eigene Reaktion konnte sie auch noch nicht einordnen, diese Emotionslosigkeit, vielleicht eine Art Betäubung als Folge davon, dass sie es ausgesprochen hatte.
Jetzt ist es heraus, dass ich eine Mörderin bin.
Schweigend fuhren sie weitere zehn Minuten.
Der Sattelschlepper hielt an, die Hintertüren gingen auf. Man befand sich im Innern einer Lagerhalle. Sasha sah Tom Goddard auf das Fahrzeug zukommen, das Gesicht starr wie eine Maske. Erneut packte sie das Entsetzen darüber, was sie getan hatte. ZweiMänner, die sie nicht kannte, gingen hinter Tom. Die Mitglieder der Todesschwadron polterten in ihren schweren Stiefeln aus dem Sattelschlepper.
Sasha
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