Trojanische Pferde
blickte irgendwo ins Ungefähre, als machte er sich bereits Gedanken, wohin der Weg ihn von hier aus führen würde. »Man wird mich nach Langley zurückschicken. Wäre wahrscheinlich eh bald zurückgegangen, um Sektionsleiter für diese ganze Region zu werden. Aber jetzt, nachdem die Sache so gelaufen ist, wer weiß, was passiert …« Er unterbrach sich und wandte sich ihr wieder zu. »Aber eins gibt es, da können wir Ihnen nicht bei helfen.«
»Nämlich was?«
»Selbst wenn er Ihnen glaubt, es bleibt die Tatsache, dass Sie seinen Sohn getötet haben.«
Sasha schluckte schwer.
Jassar wird mir niemals vergeben.
Es kam Jassar vor, als wäre er genauso weich und formlos wie der dick gepolsterte Sessel, auf dem er im Wohnzimmer seiner Suite saß. Er hatte sich vor einer Weile gefragt, ob er unter Schock stehe, doch der Schmerz in seiner Brust und die Anstrengung, sich aufrecht zu halten, zeigten unmissverständlich an, dass die Realität von Ibrahims Ermordung sich ihm mitgeteilt hatte. Ersah zu Nibmar hinüber, ein jammervolles Häufchen Elend in der Sofaecke, umgeben von zusammengeknüllten Papiertüchern, das Haar zerzaust, im Bademantel über dem Nachthemd. Mit einiger Mühe erhob er sich aus dem Sessel, setzte sich neben sie, schlang den Arm um ihre winzige Gestalt und zog sie an sich. Normalerweise so voller Energie und innerer Stärke. Und jetzt sieh sie dir an. Sie hing an seiner Seite, sah ihn aus geröteten, geschwollenen Augen an. Jetzt drohte ihn sein eigener Kummer zu überwältigen, er hielt die Tränen zurück, aber Nibmar bemerkte es dennoch und brach schluchzend zusammen, die Hände vors Gesicht geschlagen.
Jassar suchte den Zorn in seinem Innern. Da war er. Sein neugeborener Hass. Er dachte an das Gelübde, das er letzte Nacht abgelegt hatte, sein Gelübde, Ibrahim zu rächen. Dann dachte er an Sasha, und eine Woge des Schmerzes erfasste ihn. Wie konnte sie so etwas tun? Wie konnte sie ihm dermaßen wehtun?
Es klopfte an der Tür. »Herein«, sagte Jassar.
Assad al-Anoud, Chef der saudischen Geheimpolizei, trat ein und blieb steif stehen. »Immer noch nichts«, sagte er. »Wir haben einen Wagen gefunden – einen BMW.«
»Und die toten Männer?«
»Wir können sie nicht identifizieren. Wahrscheinlich Söldner. Wir überprüfen alles, rechnen aber fürs Erste nicht mit konkreten Hinweisen.«
Ja, es würde wohl eine lange Jagd werden, aber am Ende würde er sie zur Strecke bringen. Fast war es ihm sogar lieber so. Eine lang andauernde Verfolgung. Sollte doch die Angst an ihnen nagen, sollten sie sich doch ständig über die Schulter umblicken müssen. Ihnen das Leben zur Hölle machen, bevor man sie schnappt. Genauso bei Sasha. Der schlimmste Verrat, den man sich vorstellen konnte.
»Bleiben Sie dran.«
Sasha verließ den Unterschlupf in schwarzer Abaya und Kopftuch, begleitet von einem Araber im Burnus mit traditioneller Kopfbedeckung. Sie gingen zum königlichen Palast, auf gewundenen, staubigen Nebenstraßen, an denen zahlreiche Ladeninhaber ihre Waren ausgelegt hatten. Sie empfand eher Erleichterung als Anspannung. In wenigen Minuten würde sie vor dem Palast stehen, und was dann geschah, nun, das würde man sehen. Sie tastete nach dem Tonbandgerät in der Handtasche, die sie sich um die Hüfte geschnallt hatte, dann nach dem Schlüssel zu dem Schrank mit den Kopien all ihrer Bänder. Sie würde Jassar das Band von Tom vorspielen und dann …
Der Vordereingang des königlichen Palasts kam jetzt in Sicht. Wachstationen waren errichtet worden und improvisierte Absperrungen, um die Passanten wenigstens um etwa fünfzig Meter vom Palast fernzuhalten. Das bedeutete, dass sie bereits ein gutes Stück vor der Außenmauer auf die Königliche Garde treffen würde. Verzweiflung wollte sich in ihrer Brust breitmachen, doch sie setzte ihre volle Entschlossenheit dagegen. Sie verabschiedete ihren Begleiter, suchte sich eine Stelle in der Absperrung zwischen zwei Wachstationen und tauchte darunter hinweg.
Sie schritt über den Hof, während die Wachen sie auf Arabisch anriefen und der Staub ihr ins Gesicht wirbelte. Als sie die Außenmauer erreichte, blieb sie vor einem Königsgardisten stehen. »Ich muss Jassar sprechen«, sagte sie dem Mann ins erstaunte Gesicht. »Ich bin Sasha.«
Jassar hatte sich erhoben und ging jetzt ruhelos auf und ab. Das gedämpfte Murmeln und die gelegentlichen Klagelaute seiner anderen drei Frauen, die um Nibmar herumscharwenzelten, machten ihn nervös. Er
Weitere Kostenlose Bücher