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Trojanische Pferde

Trojanische Pferde

Titel: Trojanische Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lender
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lösen, ihn in den Fensterrahmen schieben, dann den Magneten platzieren und einschalten. Bis dreißig zählen, wieder ausschalten, auf den Boden legen, den Hebel drehen und das Fenster aufstoßen. Nur um einen Spalt. Die Handschuhe entsorgen. Dann zurück ins Schlafzimmer.
    Jetzt spürte sie aber doch ein leichtes Nervenflattern, als sie sah, dass Ibrahim immer noch mit dem Mädchen tanzte. Das reichte jetzt, fand sie, und marschierte direkt auf das Paar zu.
    »Ich darf dich mal eben ablösen, ja?« Das Mädchen sah sie bitterböse an. Sasha bemerkte Ibrahims amüsierten Gesichtsausdruck, während sie das Mädchen mit einem Blick in die Schranken wies, der so viel besagte wie: »Ich bin immer noch die Favoritin.« Ibrahim führte Sasha mit Schwung von dem Mädchen weg, das zurückblieb wie ein fallen gelassenes Stück Unterwäsche.
    »Typisch Sasha.« Er sah sie aus neckisch funkelnden Augen an. »Wie wär’s, wenn wir bald wieder ein bisschen wegfahren?«
    Eine Gefühlsaufwallung ergriff sie, mit der sie absolut nichts anfangen konnte.
    »Ich habe jetzt mehr zu tun als früher«, sagte er, »aber für ein paar Wochen könnte ich mich schon freimachen. Was hältst du von Venedig?«
    »Okay«, brachte sie heraus. Ihre Seele, begriff sie, versuchte sich Gehör zu verschaffen. Klage führend über das, was sie zu tun hatte. Mit Nachdruck lenkte sie ihre Gedanken auf Jassar. Ibrahims Worte auf dem Tonband. Toms schlichte Feststellung:
Es muss sein.
Sielegte ihren Kopf auf seine Schultern, nicht imstande, ihm jetzt in die Augen zu blicken.

    Sasha lag wach im Bett, starrte in die schwarze Dunkelheit, auf die grüne Leuchtanzeige des Digitalweckers, die einzige Lichtquelle im Zimmer. Ibrahim lag neben ihr und schlief. Sie hatte ihn heute in besonders ausgedehnte Lustbarkeiten verwickelt. Ein Blick zum Wecker: 1.02 Uhr. Darüber immerhin hatte sie sich keinerlei Gedanken machen müssen: wie sie es anstellen sollte, zur vorgesehenen Zeit aufzuwachen. Ausgeschlossen, dass sie auch nur eine Sekunde würde schlafen können oder wollen. Ihre Gedanken kreisten weiterhin um die Frage, wie ihr Leben sich verändern würde. Unabhängig davon, wie die Sache ausging, ob sie gelang oder fehlschlug oder das Kommando womöglich gar nicht eintraf. Konnte sie tatsächlich weiterhin hier leben, faktisch als Jassars Tochter – und als Mörderin seines Sohnes? Es kam ihr plötzlich absurd vor, und ihre Gefühle stürzten in sich zusammen.
    Erneut blickte sie auf die Uhr. Wartete.
    Schritte im Flur: der Königsgardist auf seiner Wachrunde. Das Gefühl der Verantwortung ergriff sie von Neuem und verlieh ihr frischen Mut.
Es ist Zeit
, sagte sie sich und glitt, Zentimeter um Zentimeter, aus dem Bett heraus auf den kühlen Marmorfußboden.
    Jassar wird mir niemals vergeben
. Sie atmete tief durch, vermerkte dann mit freudiger Erregung die kühle Distanz, die ihre Mission ihr eingab. Nackt, die Schultern gerade und den Kopf zurückgeworfen, stand sie da und betrachtete Prinz Ibrahim, den Mann, dem sie drei Jahre lang als Konkubine gedient hatte.
Aber du hast es nicht verdient, es kommen zu sehen
.
    Langsam schlich sie sich zum Schrank …

KAPITEL 29
    J ULI, VOR ZWANZIG J AHREN . R IAD , S AUDI -A RABIEN .
Sasha lag auf dem Bauch, auf den Boden des Fluchtwagens gedrückt, in ihren Ohren hallten die scharfen Stöße des Maschinengewehrfeuers und die Explosion der Sprengsätze nach. Der Kopf dröhnte ihr und sie musste die Bauchmuskeln fest anspannen, damit sie nicht jedes Mal, wenn der Wagen über unebenen Straßenbelag holperte, von den hundert Kilo Lebendgewicht des Söldners über ihr zerquetscht wurde. Angewidert dachte sie daran, was sie getan hatte: aus vielleicht einem Meter Entfernung Ibrahim eine Kugel in die Brust gejagt, anschließend, zur Sicherheit, eine weitere Kugel in den schon leblosen Hinterkopf. Sie konnte es nicht fassen. Nur der Glaube an ihre Liebe zu Jassar und seine Liebe zu ihr hatte ihr die Kraft gegeben, es zu tun. Dann wurde sie von Kummer überschwemmt. Sie würde Jassar verlieren. Sie würde ihn nie wiedersehen; ausgeschlossen, dass sie zu ihm zurückkehren konnte, nachdem die Aktion so schiefgelaufen war und sie spontan hatte eingreifen müssen. Sie kniff die Augen zusammen, um die Tränen zurückzuhalten. Und jetzt brandete Wut in ihr auf, zuerst auf Tom, weil er sie in die Sache hineingezogen hatte, dann auf Ibrahim, weil er so schwach gewesen war, und schließlich auf sich selbst, weil sie nicht gleich mit

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