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Trojanische Pferde

Trojanische Pferde

Titel: Trojanische Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lender
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seidenes Gewebe die schnittige Linienführung ihrer Taillen- und Hüftpartie betonte. Sie hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem etwas verwahrlost wirkenden Kind, das nur wenige Stunden zuvor das Bettzeug zerwühlt und mit den Augen am Fernseher gehangen hatte. »Bist du am Meditieren oder tanzt du im Dunkeln, Schwester?«, fragte sie.
    Sasha wunderte sich, dass Nafta so früh zurückgekehrt war. Sie wirkte etwas verstört, wie sie ihre Ohrringe herunterriss, um sie achtlos aufs Bett zu werfen, und den Rückenreißverschluss ihres Kleids mit einem wilden Schwung öffnete, den sie dem Mädchen,mit dem sie früher am Tag geluncht hatte, niemals zugetraut hätte. Sie glitt aus dem Kleid und stand im bloßen Höschen da.
    Was hatte sie, fragte sich Sasha, bloß so aus der Fassung gebracht, dass sie an ihr vorbeipreschte, ohne Blickkontakt zu suchen, mit straff gespannten Lippen und gerunzelter Stirn? Sie schüttelte sich umständlich die Haare aus, riss einen der Schränke auf und schnappte sich eine Handvoll Kleidungsstücke. »Er will dich«, sagte sie zu Sasha. »Ich helfe dir, dich fertig zu machen.« Sie verschwand im Bad.
    Sasha starrte benommen auf die im Halbdunkel liegende Wand und versuchte, ihre Gedanken so auf Trab zu bringen, dass sie mit ihren rasenden Gefühlen Schritt halten konnten. Wie sie befürchtet hatte, war es ihr nicht vergönnt, sich langsam auf die Sache einzustellen, nein, heute Nacht war schon der Ernstfall. Sie hatte den Mann noch nicht mal kennengelernt, hatte keine Kindheitserinnerungen mit ihm ausgetauscht, hatte nicht verlegen dagestanden und seinen ersten Gutenachtkuss erwartet oder sich mit dem Finger über die Wange streichen lassen, und doch würde sie binnen Kurzem – in einer Stunde? – in seinem Bett die Beine für ihn breit machen. So war es eigentlich nicht gedacht, jedenfalls nicht in ihrer Vorstellung damals, als sich die erste kitzelnde Neugier in ihr geregt hatte, wer wohl ihr erster Liebhaber sein würde. Wann war das gewesen? Beim Anblick dieses muskulösen Tischlers, der irgendetwas in Christinas Stallungen in der Schweiz repariert hatte, oder, ihre Gedanken vollführten jetzt wilde Sprünge, dieser französische Aristokratensohn, der sich nicht damit begnügen wollte, sie bloß zu küssen. Ihr Herz pochte, sie empfand jetzt köstliche Neugierde, Hoffnung, Erwartung, wollte es gern genießen, doch ihre Gedanken, bemerkte sie, liefen auf Hochtouren, überschlugen sich fast – wie sollte sie unter diesen Umständen Vergnügen erwarten? Alle ihre Sinne schienen zum Zerreißen gespannt und aufnahmebereit. Musikfetzen aus dem Ballsaal drangen dröhnend an ihr Ohr. Die glatte Seide ihres Nachthemds strich wie Eis über ihre Brüste. Ihre Augen schienen sich an den Umrissen der Möbel im Zimmer wund zu scheuern.
War es in der Toskana?
, dachtesie absurderweise, als der erste Gewittersturm, den sie erlebt hatte, in ihrer Erinnerung aufleuchtete, das erregende Gefühl von Gefahr, heraufbeschworen von den majestätischen Blitzen, die auf die Weinberge niedergefahren waren. Jetzt schien es ihr fast, als würden die Synapsen in ihrem Gehirn mit der gleichen Intensität feuern.
    Wie nebenbei registrierten ihre Augen, dass die Badezimmertür sich öffnete und Nafta durchs Zimmer kam. Warum machte sie einen so angespannten, geradezu wütenden Eindruck? Nafta schaltete eine Lampe an und baute sich dann vor Sasha auf, um sie zu mustern. »Schwester, du musst dich fertig machen,
sofort
.« Sasha sah sie an und nickte nur, machte gar nicht erst den Versuch zu sprechen, weil ihre Kehle so trocken war, dass sie ohnehin nur ein Krächzen herausbekommen und damit ihre Nervosität verraten hätte. Nervosität? War das alles? Schwer zu sagen, denn ihr Gehirn redete, nein, schrie in Zungen auf sie ein, absolut unverständliches Zeugs. Sie erhob sich vom Bett, ohne Lächeln, da sie Angst hatte, dass ihr Gesicht zerspringen würde, und plötzlich wusste sie nicht mehr, was um alles in der Welt sie veranlasst hatte, sich auf diese Sache einzulassen.
    »Entspann dich«, sagte Nafta. »Das ist der beste Rat, den ich dir für heute Abend geben kann.« Auch Naftas Gesicht entspannte sich jetzt, das spielerische Lächeln vom Nachmittag erschien wieder, zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr. »Ich werde später Zeit haben, dir das eine oder andere beizubringen. Für heute aber verlass dich erst mal ganz auf deine Fantasie.« Sasha registrierte, dass sie dazu nickte. »Und jetzt runter mit dem

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