Trojanische Pferde
einmal mit subtil undunterwürfig anfangen.« Sie erhob sich abrupt. »Morgen Nachmittag nach deiner körperlichen Untersuchung. Nafta, deine Zimmergenossin, kann dir helfen.«
Sasha erwiderte Nibmars unnachgiebigen Blick. »Ich würde es vorziehen, meine eigene Unterkunft zu haben. Daran bin ich gewöhnt.«
»Dann gewöhne dich daran, eine Mitbewohnerin zu haben. Jedenfalls bis du gelernt hast, dich angemessen zu benehmen.« Nibmar drehte sich um und verließ das Zimmer.
Sasha spürte die Hitze in ihrem Gesicht.
Ich werde also angegrabscht und herumgestoßen, habe keine Intimsphäre und muss in einem Mehrbettzimmer leben. Gebt mir zwei Wochen. Dann hab ich den ganzen Laden hier umgekrempelt.
Sasha genoss die Momente des Alleinseins, nachdem Nafta sich angekleidet hatte und zur Party abgerauscht war. Sie machte ein Schläfchen, und als sie erwachte, schimmerte rötliches Dämmerlicht durch die Gitterfenster. Im Halbdunkel lauschte sie den Abendgebeten, den schwermütigen Aufrufen von den Minaretten, zunächst leise klagend, dann lauter, mit wachsendem Nachdruck, die Musik eines Glaubens, einer Welt, die ihr unbekannt war. Sie rekelte sich im Bett – dem Einzelbett, das an die Wand geschoben und nun ihrs war, in ihrem WG-Zimmer – und rappelte sich mit Schwung auf. Sie spazierte über den Teppich und ließ sich an dessen Kante nieder, die Füße auf den kalten Marmor gesetzt, um ihre Lebensgeister wieder wachzurufen. Ihr taten sämtliche Glieder weh, vor allem aber das Herz. Sie legte ihr Gesicht auf die Knie.
O Gott, ich fühle mich so vergewaltigt. Was habe ich getan? Was hat Christina mir angetan? Was hast du mir angetan, Jassar?
Sie überließ sich ihren Tränen, umklammerte die Beine, bis die Unterarme zu schmerzen begannen.
Schließlich warf sie seufzend den Kopf zurück.
Na schön, das reicht. Das ist jetzt dein Leben. Es nützt nichts, wie erstarrt rumzusitzenund zu jammern. Mach was.
Sie dachte an Christinas Worte zurück. »Es ist okay, wenn du Schmerz empfindest. Nimm ihn an und lass ihn hinter dir. Versage dir nicht die Möglichkeit, den Rausch des Lebendigseins zu spüren.« Beim Gedanken an die Komtess durchfuhr sie ein jäher Schmerz, als würde jemand auf einer frischen Wunde herumtrampeln.
Stell dich deiner Situation. Du wurdest in den Abgrund gestoßen von einer Frau, die nicht deine Mutter war, es nie sein wird und nie sein wollte. Für Drogen hat sie dich verkauft an den Meistbietenden, den einzigen Bietenden, den »nettesten« ihrer Freunde. Ein Mann, der dich wahrscheinlich selbst gern ins Bett gezogen hätte, dafür aber zu religiös, zu schicklich oder was auch immer ist – also tut er das Nächstliegende und kauft dich für seinen Sohn. Tolles Leben!
Sie hielt inne, als ihr bewusst wurde, dass sie aufgestanden war, ohne es bemerkt zu haben.
Na gut, du hast ein sorgenfreies, ausgelassenes Leben geführt. Dafür hat Christina gesorgt. Jetzt bist du in irgendeinem gotterbärmlichen Land gestrandet. Was machst du jetzt?
Sie wog die Optionen ab. Rebellieren und rausgeschmissen werden? Halbherzig mitmachen und sich die ganze Zeit elend fühlen? Nein, im Grunde hatte sie es längst beschlossen: sich anpassen, bis sie genug Geld gespart hatte, um zu verschwinden. Nun, wenn man Nafta glauben konnte, dann war sie dafür genau am richtigen Ort.
Verdiene es dir. Häng dich rein und guck, was als Nächstes kommt.
KAPITEL 13
A UGUST, VOR DREIUNDZWANZIG J AHREN . R IAD , S AUDI -A RABIEN .
Nach einem weiteren Nickerchen verwarf Sasha jeden Gedanken daran, doch noch auf die Party zu gehen, und beschied sich damit, zu warten, im vollen Bewusstsein der Tatsache, dass das nicht gerade ihre größte Stärke war, da konnte sie hin und her laufen und sich abzulenken suchen, so viel sie wollte. Das Einzige, was sie noch mehr hasste, als zu warten, war, nicht zu wissen, worauf sie wartete. Aber der Knoten im Magen verriet ihr immerhin, dass sie, was immer es sein mochte, nicht bereit dafür war. Sie saß auf der Bettkante und fühlte sich wie eine Ballkönigin, deren Kavalier jeden Moment kommen wird, um sie abzuholen. Plötzlich wusste sie genau, was sie erwartete: Ibrahim. Sie wollte es einfach nur überleben.
Ein trapezförmiger Lichtkegel blitzte über den Fußboden, als die Tür zum Flur aufflog. Nafta kam hereingestürmt, schmuckbehangen, glitzernd und glänzend, die Haare hochgesteckt. Sie trug ein pastellfarbenes bodenlanges Abendkleid, das die Brüste kaum in Schranken hielt und dessen
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