Trojanische Pferde
Vaters Referenten. Ich soll ihre Vorlagen prüfen für ein Projekt, das Vater anschieben will, um saudischen Hochschulabsolventen langfristige Arbeitsplätze im privaten Sektor zu verschaffen. Anstatt dass sie wie bisher immer nur auf irgendeinem fantasielosen Posten in der staatlichen Bürokratie landen.«
Freudig überrascht hörte sie, wie er mit sichtlicher Kompetenz über die Arbeit seines Vaters sprach. »Du findest die Programme deines Vaters langweilig?«
»Ganz und gar nicht, er ist ein Visionär, aber seine Untergebenen finde ich langweilig. Sie sind ja auch fantasielose Bürokraten.« Er lachte. »Und doch haben sie die Dreistigkeit, arrogant und selbstgerecht zu sein. Genau wie Vater fällt es mir schwer, Nachsicht mit Dummköpfen zu üben.«
Ganz im Gegenteil; ich habe erlebt, wie Jassar sich stundenlang irgendwelchen Blödsinn von Knalltüten wie Ophelia Deneau mit einer wahren Engelsgeduld angehört hat.
»Erzähl mir mehr von diesen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Dein Vater ist immer so zurückhaltend, wenn es um seine Arbeit geht.«
Achselzuckend schob Ibrahim die Überreste seiner Eierspeise mit einem englischen Muffin an den Tellerrand. »Vaters Ideen sind brillant, aber an der Umsetzung zu arbeiten, das finde ich so öde. Hab keine Geduld dafür. Die Leute sind Schwachköpfe. Es dauert ewig, bis sich mal irgendetwas tut.«
»Du dagegen bist ein Mann der Tat?«
Oje
. Ihr wurde mulmig zumute – hatte sie ihrer vorlauten Zunge mal wieder die Zügelschießen lassen? Sie sah die Vorboten einer wütenden Entgegnung auf seiner gerunzelten Stirn, die sich aber rasch wieder glättete.
»Nun ja, ich trainiere für die Olympischen Spiele«, sagte er mit ausdruckslosem Gesicht. Sasha brach in Gelächter aus. Nein, er nahm sich ganz und gar nicht zu ernst.
»Und dann?«
Er zuckte die Achseln. »Dann, nehme ich an, geht’s zurück in den Palast, für eine Runde ins Fitnessstudio, danach eine Massage.« Er blickte an die Decke, als würde er überlegen.
»Das klingt, als hättest du es dir gerade eben ausgedacht.«
»Stimmt. Bis zum frühen Nachmittag habe ich eigentlich nichts auf dem Zettel. Vielleicht eine Kleinigkeit zum Lunch, dann eventuell ein Mittagsschläfchen mit einem der Mädchen.«
Ah, da spricht der Don Juan
. Sasha spürte einen Stich. Was war das – Enttäuschung? Eifersucht?
Sei nicht albern.
»Dann das Gebet, anschließend religiöse Unterweisung.«
»Sogar am Samstag?«
»Durchaus.« Er sah wie gelangweilt aus dem Fenster hinaus. »So machen wir das hier.« Als er sich ihr wieder zuwandte, entdeckte sie plötzliche Anzeichen von Ungeduld, als müsste er jetzt eigentlich woanders sein. War er fürs Erste fertig mit ihr? Er legte die Hände auf die Tischkante, als wäre er im Begriff, seinen Stuhl zurückzuschieben und sich zu erheben. War sie ihm jetzt auch zu öde geworden? »Danach Gebet, Abendessen, dann meine Party.« Sein Gesicht hellte sich wieder auf. »Du musst heute Abend kommen. Nafta wird dir alles erklären. Das ist hier der Höhepunkt des Tages.« Er stand auf und nickte ihr auf seltsame Weise zu, etwa so, wie man die Anwesenheit eines Bediensteten zur Kenntnis nimmt. »Bleib nur sitzen«, sagte er, obwohl Sasha sich nicht gerührt hatte. »Trink in Ruhe deinen Tee aus. Wir sehen uns später. Ich muss jetzt gehen.«
Sasha neigte ganz leicht den Kopf, in der Hoffnung, eine noch ausgefeiltere Version seines Nickens zustande zu bringen, dann, unsicher, ob sie das hinbekommen hatte, wandte sie sich ab, als wäre es ihr gleichgültig, dass er ging. Zwei Dienerinnen erschienen, kaum dass Ibrahim verschwunden war, auf der Bildfläche. »Nichtjetzt«, sagte Sasha gebieterisch, »lasst mich allein.« Sie fühlte eine innere Leere und hoffte auf irgendein Gefühl, das sich einstellen und diese Leere ausfüllen würde. Mechanisch, kraftlos hob sie die Teetasse an die Lippen. Der Tee war kalt. Sie stellte die Tasse zurück und schob sie beiseite.
Später am Tag zog sich Sasha auf das etwa zweitausend Quadratmeter umfassende Gelände aus Stufenterrassen, Steinbänken, gepflegtem Strauchwerk, Blumen und Bäumen zurück, das den zentralen achteckigen Hof im Frauenbereich des Palasts umfasste.
Sie lagerte auf einem gepolsterten Liegestuhl, im Schatten eines Sonnenschirms, umgeben von Buchsbaumhecken und blühenden Magnolienbäumen. Dieser Winkel, mit seiner einladenden Ruhe, hatte ihr auf Anhieb zugesagt. Ein Brunnen sprudelte eine Ebene über ihr, und unterhalb ihres
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