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Trojanische Pferde

Trojanische Pferde

Titel: Trojanische Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lender
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gepflasterten Plätzchens plätscherte ein Wasserlauf, der ein Stück weiter in einen zehn Meter langen Kanal mündete, beidseitig begrenzt von Ziegelpfaden in geometrischen Mustern und gesäumt von Früchte tragenden Grapefruit-und Orangenbäumen.
    In ihren Gedanken wurden die Ereignisse des vorhergehenden Tages in einer Art Endlosschleife immer wieder abgespult.
Nibmar
. Lieber würde sie in einen eiskalten Tümpel springen, als die Gesellschaft dieser Frau zu ertragen.
Je weniger ich sie zu sehen bekomme, desto besser.
Ihr glühten die Wangen beim Gedanken daran, wie sie nackt vor ihr gestanden hatte, aller Würde beraubt, wütend, gequält, und doch gezwungen, das alles zu erdulden, eine Erinnerung, die sie sicherlich noch eine ganze Weile verfolgen würde.
Aber warum hat Nafta, der ich als Zimmergenossin aufgezwungen worden bin, sich letzte Nacht, nach der frostigen Vorstellung nachmittags, dann so um mich gekümmert? Und diese »Schwester«-Nummer und die Wangenküsse. Sehr seltsam. Eine Freundin wäre wohl zu viel verlangt. Aber vielleicht jemand, mit dem man sich verbünden kann – um sich gegenseitig zu schützen?
Sie dachte daran, mit welcher Kältedie anderen Mädchen ihr begegnet waren, als sie den Hof betreten hatte, schloss die Augen und sog den verführerischen Duft der Magnolien ein, die ihren Rückzugsort umgaben. Als Nächstes rief sie sich die mit Ibrahim verbrachten Stunden im Bett in Erinnerung, als hätten sie ihre Gedanken nicht ohnehin schon den ganzen Tag beherrscht. Diese aufgekratzte Begeisterung, die sie an den Tag gelegt hatte – lag das vielleicht am Kokain? Oder an Ibrahims kunstvollen Berührungen? Ihrer eigenen angeborenen Sexualität? Die Weiblichkeit in ihr regte sich mit allem Nachdruck, ein erregender Wunsch nach Hingabe erfasste sie bei der Vorstellung, die profane Welt, für die sie sich entschieden hatte, ganz zu durchmessen.
    Dann aber standen ihre Gedanken und Gefühle plötzlich wieder kopf, und ihr kamen die Tränen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Sie vergrub ihr Gesicht zwischen den Knien und presste die Hände gegen die Schläfen. Den Sex letzte Nacht konnte man wohl kaum als einvernehmlich bezeichnen. Sie war feilgeboten worden wie eine besondere Delikatesse.
O Gott, was für ein Leben wird das hier werden?
Sie wünschte, die Wärme der Sonne würde ihre Knochen und ihr Herz durchdringen, um sie zu neuem Leben zu erwecken.
    Also gut, Schwester,
spöttelte sie,
reiß dich am Riemen. Hör auf, dich in deinem Elend zu suhlen. Denk nach. Stell dich neu auf.
Als Erstes führte sie sich ihre Situation vor Augen. Sie hatte hier niemanden, der sie trösten und alles besser machen konnte – nicht dass Christina dafür je gut gewesen wäre. Das war ihr immer klar gewesen. Davon war sie wahrscheinlich auch so selbstständig geworden. Und was war sie noch geworden?
Eine königliche Konkubine. Daran wird sich so schnell nichts ändern.
Sich auf die Position eines verletzten, verunsicherten Teenagers zurückzuziehen, dem man übel mitgespielt und in ein fremdes, unbegreifliches Leben geworfen hat, das war keine Option.
Blick nach vorn und guck, was als Nächstes kommt
, rief sie sich den tags zuvor gefassten Beschluss in Erinnerung.
Ja, das kann ich, und das kann ich gut.
    Sie döste.
    »Schwester, mit der Mittagssonne hier ist nicht zu spaßen«, wurde sie von Naftas Stimme geweckt.
    Okay, horch mich über letzte Nacht aus. Ich weiß, dass du es nicht erwarten kannst
. Doch dann kam sie sich albern vor, schließlich war Nafta, anders als sie selbst, keine Anfängerin mehr. Sie blickte über den terrassenförmigen Hof. »Schön hier.«
    Nafta setzte sich zu ihr. »Ja, und er steht uns exklusiv zur Verfügung. Siehst du die Fenster mit dem Gitterwerk? Das sind alles die Zimmer der Mädchen – auch unseres. So können wir sonnenbaden, uns die Zehennägel lackieren oder einfach ungestört nachdenken, ohne dass uns jemand sieht, nicht mal die Königsgarde. Dies ist der eine Ort, wo wir uns selbst als Königinnen fühlen können. Selbst Nibmar habe ich hier noch nie gesehen.«
    Sashas Puls beschleunigte sich. »Diese Nibmar, die ist ja ganz schrecklich.«
    »Ach, so schlimm ist sie gar nicht«, sagte Nafta.
    »Oh, ich bitte dich, Nafta, hast du nicht gehört, was sie mich gefragt hat? ›Bist du aufrichtig, subtil und unterwürfig?‹«
    Nafta lachte. »Das war doch gar nichts. Besser jedenfalls, als was sie mir an meinem ersten Tag gesagt hat: ›Du solltest eine

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