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Trojanische Pferde

Trojanische Pferde

Titel: Trojanische Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lender
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einschließlich ihrer Würde und Intimsphäre, verloren zu haben, als man sie hierherbrachte. Sie bezweifelte, dass ihr der Koran jemals den Trost gewähren würde, der ihr zuteilwurde, wenn sie während der Puja-Zeremonie, für die sie ihren Nachttisch regelmäßig zweckentfremdete, zu der Statue des Ganesha – ihres »Beseitigers von Hindernissen« – betete, obwohl sie wusste, dass jede nicht islamische Religionsausübung hier verboten war.
    »Das irdische Leben ist eine Prüfung für das zukünftige Leben«, erläuterte Jassar die vorgelesene Passage. »Die einen werden durch Armut geprüft – werden sie unehrlich oder verlieren sie ihren Glauben? Andere werden durch Reichtum geprüft – werden sie selbstsüchtig oder handeln sie im Bewusstsein ihrer Verantwortung?«
    Und manche werden durch Verrat geprüft. Werden sie verbittert oder glauben sie weiter an die Liebe?
    Eine Stunde später war die Lektion beendet. Sasha wickelte den Koran in ein spezielles Tuch, um ihn dann in ein über Kopfhöhe angebrachtes Regal in der Westecke des Zimmers zu legen. Anschließend kehrte sie zu ihrem Platz vor dem Sessel zurück und wartete, dass Jassar sich aufs Sofa setzte, bevor sie sich ihrerseits vom Fußboden erhob und wieder auf dem Sessel Platz nahm. Im Dämmerlicht vergaß sie ganz, wo sie war, und erfreute sich einfach an seiner Gesellschaft.
    Jetzt
, dachte sie.
Mit Geschick und Delikatesse
. Seine Stellung in der Welt war ihr bewusst, zumal in dieser Welt, dieser Kultur, und auch das Gewicht dessen, worum sie ihn bitten wollte, einen Mann in seiner Position – überhaupt einen Mann! –, trotzdem war sie entschlossen, ihm eine Entschuldigung abzuverlangen. Dies, so schien ihr, war die einzige Möglichkeit, etwas von der Verbundenheit zurückzugewinnen, die sie einst empfunden hatte, und sei es nur zu dem Zweck, sich zu vergewissern, dass ihre Gefühle von ihm erwidert worden waren. Undenkbar, dass sie sich darin getäuscht hatte. Gleichzeitig erkannte sie, dass das noch nicht alles war, wonach sie verlangte: Sie musste sich sicher sein, dass er sie nach wievor respektierte, und da begann ihr Magen dann doch heftig zu flattern bei dem Gedanken, Jassar könnte sie zurückweisen.
    »Jassar«, sagte sie. Sie hielt den Blick gesenkt, um es ihm leichter zu machen. »Veränderung ist manchmal ein Schock.« Sie saß vollkommen reglos. »Und diese Veränderung in meinem Leben war besonders tief greifend und unerwartet.«
Okay, Jassar. Ich habe das Thema eröffnet. Du weißt, wovon ich spreche.
»Ich fände es bedauerlich, wenn irgendetwas von dem, was während dieser Umbruchsphase geschehen ist, der Beziehung im Wege stehen würde, die wir einst hatten.«
Zu vage. Er kennt mich als jemanden, der immer ohne Umschweife spricht.
Das Flattern in ihrem Magen machte sich wieder bemerkbar. »Warum haben Sie mir das angetan?«
    Jassar sah sie nicht an. »Angetan? Dies ist eine Chance.«
    »Vielleicht für jemanden, dem sonst keine Chancen offenstehen.« Sie überdachte ihre Bemerkung noch einmal, froh, dass sie ihr spontan entschlüpft war, und fragte sich, wie sie weitermachen würde, wenn er nicht antwortete. Sie wartete. Immer noch sah sie ihn nicht an. »Was für ein Leben ist das hier?«, fragte sie schließlich.
    »Früher konnte eine Konkubine mit der Zeit zur Ehefrau aufsteigen. Wir können viele haben, wie du inzwischen weißt.«
    »Und Sie selbst haben auch viele solcher Ehefrauen?« Für einen Moment glaubte sie, zu weit gegangen zu sein, doch dann war es ihr egal. Sollte die Frage ruhig über seinem Haupte schweben, sie war nicht gewillt, ihn vom Haken zu lassen, indem sie ihre Frage selbst beantwortete oder erneut ohne Antwort weitersprach. Sie wartete.
    »Ich möchte dich daran erinnern, dass du aus freiem Willen hergekommen bist.«
    »Tatsächlich?«
Also ehrlich, Jassar.
»Ich hatte herzlich wenige Alternativen. Christina war am Ende. Sie scheinen das besser gewusst zu haben als ich. Man könnte es so sehen, dass Sie die Gelegenheit genutzt und mich für einen Apfel und ein Ei abgegriffen haben.« Langes Schweigen.
Das ist in Ordnung. Daran kannst du ruhig ein bisschen knabbern.
Weiter ohne ihn anzusehen, wartete sie ab und hielt es schließlich für an der Zeit, auf den Punkt zukommen. »Ich hätte gern eine Entschuldigung. Und eine Erklärung.« Jassar antwortete nicht. Sasha wartete.
    Nach einer gehörigen Weile hörte sie sein Gewand rascheln. »Vielleicht hätte ich die Dinge auf andere Weise

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