Trojanische Pferde
er sie bat.
O KTOBER, VOR DREIUNDZWANZIG J AHREN . R IAD , S AUDI -A RABIEN .
Sasha nahm einen Schluck Burgunder, stellte das Glas auf den Beistelltisch und schlüpfte vorsichtig aus dem Bett, um Ibrahim nicht in seinem Nachmittagsschläfchen zu stören. Sie drehte den Thermostat hoch und öffnete das Fenster zum Hof.
Ich lauf hier ungelogen dreiundzwanzig Stunden am Tag mit ’ner Gänsehaut rum.
Sie glitt ins Bett zurück und betrachtete Ibrahim. Es war schon außergewöhnlich: Der Mann stand auf, aß, hatte Sex, verschwand für eine Weile, aß dann wieder, trank etwas, hatte Sex, machte ein Nickerchen, stand auf, und alles ging wieder von vorne los. Immerhin besuchte er noch ein paar seiner angesetzten Kurse und Meetings – ein paar wenige – und nahm gelegentlich sogar bei Kabinettssitzungen neben seinem Vater Platz.
Sie sah auf die Uhr. Ein Uhr zweiundzwanzig. In zehn Minuten würde sie ihn wecken, damit er pünktlich um zwei zu seinem Religionsunterricht gehen konnte. Das Frühnachmittagsgebet war heute ausgefallen, es sei denn, er hätte während seiner letzten Hüftstöße, bevor er sich zur Seite rollte und auf der Stelle einschlief, intensiv an Allah gedacht. Sie nahm das Weinglas in die Hand, bewunderte die rubinrote Farbe des Burgunders, den sie so früh am Tage nur genießen konnte, weil Ibrahim die entsprechenden Hebel in Bewegung gesetzt hatte, und beglückwünschte sich dazu, die Einrichtung eines anständigen Weinkellers im Palast angeregt und beaufsichtigt zu haben.
So viel Geld, aber kein Mensch weiß, was einDomaine de la Romanee-Conti ist
. Sasha schlürfte ihren Wein und überlegte, wie sie die Diskussion wieder aufnehmen konnte, die sie vorhin begonnen hatte. So geschickt Ibrahim von gewissen Themen abzulenken verstand, so entschlossen war sie, ihn festzunageln.
Ibrahim regte sich, atmete ein, als hätte man ihm zuvor die Luft abgelassen und vergessen, das Ventil wieder aufzudrehen. Blinzelnd öffnete er die Augen.
Sieht immer aus wie ein unschuldiges Kind, wenn er aufwacht.
Lächelnd strich sie ihm übers Haar.
»Du verblüffst mich immer wieder«, sagte er. »Gerade wenn ich denke, dass du mir besser gefallen hast, als du dich noch nicht auskanntest, machst du irgendwas völlig Abgedrehtes.« Lachend ließ er den Kopf aufs Kissen zurücksinken. »Ich glaube, ich hab mir den Rücken ausgerenkt.«
»Versuchst du mir zu schmeicheln?«
»Ich bitte nur um Gnade.«
»Es ist fast halb zwei. Du solltest anfangen, dich für deinen Unterricht fertig zu machen.« Er antwortete nicht. »Und hinterher wird dein Vater sich wünschen, dass du ins Finanzministerium kommst, um an der Besprechung mit den amerikanischen Bankern teilzunehmen.«
»Das also wieder. Ich merke es sofort, wenn Miss Sasha etwas auf dem Zettel hat. Das hattest du schon auf den Lippen, als du heute Morgen aufgewacht bist.«
Es würde die Sache erleichtern, wenn er weniger einfühlsam wäre. Oder weniger störrisch.
Sie dachte an die Unterredung mit Jassar zurück, an sein inständiges Bitten. Aber wie sollte sie Ibrahim für irgendetwas begeistern, wenn Jassar selbst es nicht fertigbrachte? Nur weniges von dem, was Ibrahim Spaß machte, erforderte eine höhere Verstandestätigkeit. Sie musste es einfach probieren. »Dein Vater setzt große Hoffnungen auf dich. Er redet ständig davon, selbst wenn ich zum Religionsunterricht bei ihm bin.« Er antwortete nicht. »Du weißt, dass das der Grund ist, warum er mich unterrichtet, nicht wahr? Damit ich besser verstehe, was für ein Leben du führst und führen sollst.«
»Er kennt dich schon lange. Ich begreife erst allmählich, warum er so große Stücke auf dich hält.« Er streichelte Sashas Schenkel. »Und er kennt sich mit der Lehre aus. Der Koran steckt voller Unterweisungen darüber, wie man am besten durch das gute Beispiel lernt. Also beschert Vater mir jemanden, der klüger ist als ich und mehr Interesse hat am Leben und allem. Und außerdem schön ist.« Sie sah ihn an. Eine Zärtlichkeit lag in seinen Augen, die sie vorher noch nicht gesehen hatte. Ihr wurde warm ums Herz, die Spontaneität seiner Komplimente rührte sie. Sie spürte eine neue Nähe zu ihm, hatte aber auch ein schlechtes Gewissen, weil sie ihre bestimmten Absichten mit ihm verfolgte. Andererseits, wenn sie Jassars Wünschen entsprach und Ibrahim in eine produktive Richtung drängte, konnte das wohl kaum schaden. Wie hatte Jassar sich ausgedrückt? Sie sollte sein Gyroskop sein. Dafür brauchte man
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