Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
Vom Netzwerk:
tränen begonnen hatten. Aber als er den höhnischen Blick des Rauchers auf sich ruhen fühlte, grinste er und schwieg weiterhin.
       »Ach gestatten Sie doch einfach, daß ich mich vorstelle«, sagte der Grieche mit einem Male gelöst, die Arme ausbreitend, statt die Hand ausstreckend, als sei er der ehemalige Zirkuskünstler, der sich nun seinem Publikum vorstellte. Trotz seines verbindlichen Lächelns, das ahnte er, würde der Knabe wohl die Hand nicht nehmen, und die Gelegenheit, dem Jungen auf die Schliche zu kommen, wäre, wenn man die allgemeinen Gepflogenheiten beachtete, dann erst einmal vorüber.
       »Mein Name ist Dimitrios Rodomanti. Vielleicht werden sie meinen Namen kennen. Leiter der Effektenabteilung des Bankhauses Aschkenasy. – Na, Sie werden doch schon einmal mit der Elektrischen nach Fontan gefahren sein, um Strand und Sonne zu genießen. Oder? Dieses Meisterwerk der Technik wird von einer belgischen Gesellschaft betrieben, die auf Aktien gegründet ist, ein Kapital von sechzehn Millionen achthundertausend Francs, der einzelne Anteilschein zu fünfhundert. Ich habe dieses Geschäft eingefädelt und bin selber der größte Kommissionär gewesen, mein lächerliches Salär hat mich daran sowenig gehindert wie die Bedenken der ›Alteingesessenen‹, die sich wie dieser Journalist im Krokodil , diesem unsäglichen Schmierblatt, darüber beschweren, die Technik würde ihre ganze Freude an der altmodischen Geruhsamkeit dieser Stadt vertreiben. Ich wollte weiterkommen, doch man hat mir Grenzen gesetzt. Ich mußte sie also überschreiten. Wir Bankleute sind mit dem Fortschritt. Aber Sie reden wohl nicht viel . . .«
       Sowohl Rodomanti als auch der Zirkusartist tranken jetzt Wodka aus Wassergläsern. Während der Grieche jedoch immer leutseliger wurde und den Knaben zu duzen begann, verfinsterte sich der Blick des anderen Mannes, er war des Schwadronierens seines Reisegefährten offenbar überdrüssig geworden.
       »Und sehen Sie diese Geschäfte. Oder sagen wir ›Vorfälle‹«, er klopfte dem anderen Mann, der voller Wut sein Glas umklammerte, gönnerhaft auf den Arm, »die uns hier zusammengeführt haben, sind doch alle kein Grund, den Mut zu verlieren. Wir haben etwas gewagt – und hat es sich nicht gelohnt? Wenngleich ich in deinem Fall«, er richtete den Zeigefinger auf den Knaben, »tatsächlich nicht weiß . . .«
       »Laß den Jungen in Ruhe!« zischte wütend Asruni.
       »Ich hingegen«, fuhr der Grieche ungerührt fort, »habe schon seit langem etwas Derartiges im Kopf bewegt. Lange Stunden im Büro, dieser graue Raum, dieser unscheinbare Ort, wie der alte Aschkenasy sagte, in dem die Schicksale der Stadt in Zahlen aufgelistet sind und wo trotzdem Magie herrscht, denn ein Zauberstab wird geführt, der Menschen berührt und ihre Projekte und Ideen zum Leben erweckt, der Zauberstab des Kapitals. Hahaha! Nun sind es meine Ideen, die Wirklichkeit werden! Zwei Wochen erst hatte ich die Schlüssel für den Safe, und da wußte ich schon, ich würde es tun. Und das halbe Jahr, das ich verstreichen ließ, voller Vorfreude, war das schönste in meinem Leben, stellt euch vor, dabei habe ich gelebt wie ein Asket. Rein äußerlich. Ich wurde jetzt mehr beobachtet und mußte doch meiner Rolle gerecht werden in dieser Zeit. Keiner durfte mich mit Huren sehen, im Gambrinus, mit roten Augen, wenn sie mich wie üblich morgens hinauskomplimentierten. Theoretisch hätte ich doch draußen auf der Deribasovskaja einem ehrenwerten Kollegen mit Frau und Kinderchen beim Sonntagsspaziergang begegnen können! Na, und auch die Vorfreude, ich wollte sie nicht vernebeln, ich wollte sie nüchtern genießen, noch nie habe ich den Alkohol und die Weiber so wenig gebraucht wie in diesen sechs Monaten vor dem Verbrechen. Ich war der Ehrenhafteste von allen! Bis die Augen des Alten nicht mehr auf mir ruhten. Und jetzt bin ich ein Verbrecher geworden, sie werden es noch nicht einmal bemerkt haben. Und wenn es dann in allen Zeitungen steht, wird es mir auch recht sein. Er war schlau, er war zu Größerem geboren, werden sie sagen. Und wir drei, wir hüten unsere Geheimnisse, ein Dieb, ein Mörder, und was vielleicht das Verwegenste ist, ein blasses Bengelchen, das . . .«
       Die Faust des Artisten fuhr über den Tisch. Er packte den Griechen am Arm.
       »Schweig! Laß den Jungen, und stell dich nicht mit ihm auf eine Stufe!«
       Herr Rodomanti machte ein empörtes Gesicht, als würde das Besingen vor

Weitere Kostenlose Bücher