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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Sie sich in ihr nicht wohl zu fühlen brauchen? Für einen normalen Hotelier wäre das ein Glücksfall. Nicht die Reisenden sind angenehme Gäste, sondern die Heimatlosen – meinen Sie nicht? –, Sie sind anspruchslos, haben nicht das Bedürfnis, sich wohl zu fühlen in ihrer Herberge, weil es am Ende ohnehin keinen Ort gibt, der sie halten kann.«
       Ich hatte mich auf das Bett gesetzt. Mahgourian saß mir in dem tiefen alten Ledersessel gegenüber, den es hier schon seit der Eröffnung des Hotels geben mochte. In der zudringlichen Analyse des alten Mannes lag ein seltsamer Kontrast zu der Rührseligkeit seiner vorhergehenden Worte.
       »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen«, sagte ich etwas mürrisch, denn ich war müde und nüchtern. »Es ist zur Hauptsache Neugier, die mich hierhergebracht hat«, fuhr ich, meinen guten Willen bemühend, fort. »Mein Zimmer ist leider der einzige Raum des Gebäudes, den ich bislang genau kenne.Ich will ihn nicht mit der Folklore meines Lebens füllen. Der Raum birgt für mich keine Erinnerungen, deswegen kann ich in ihm klar denken. Ich möchte, daß es so bleibt. Ich werde nichts vermissen, wenn ich abreise.«
       Mahgourian legte seinen Kopf schräg und betrachtete mich mit väterlicher Milde.
       »Haben Sie vielleicht doch etwas mehr zurückgelassen als hoffnungsvolle Eltern und eine Redaktion, die keinen Ersatz für Sie findet?«
       Er klang schnippisch. Ich lächelte ihn gequält an. »Werde ich jetzt examiniert und muß das Zimmer räumen, wenn ich versage? Ich gehe freiwillig.«
       »Sie verstehen mich falsch. Ich würde nur gerne mehr über Sie erfahren. Möglicherweise war ich bislang nicht gründlich genug darin, meine Gäste kennenzulernen. Vielleicht mußten Sie kommen, um es mir beizubringen.«
       »Ich glaube nicht, daß Sie von mir etwas lernen können.«
       »Aber das habe ich bereits. Sie haben mir die Pläne gebracht.«
       »Bin ich nicht deswegen eingeladen worden?«
       Mahgourian sah mir fest in die Augen, als wollte er mich so seiner Aufrichtigkeit versichern.
       »Sie hätten in diesen drei Monaten jederzeit wieder gehen und die Dokumente mit sich nehmen können. Aber Sie sind den langen Weg hierhergekommen und haben gewartet, weil Sie nach Antworten suchten. Das hat Sie qualifiziert für mein Haus.«
       Ich nickte, ohne irgend etwas zu verstehen.
       »Sie haben doch nicht die geringste Ahnung, weshalb mir die Pläne etwas bedeuten«, erwiderte ich dann, in dem Wunsch, ihn zu provozieren.
       Mahgourian zuckte die Schultern und sah mich freundlich an: »Vielleicht sagen Sie es mir? Aber seien Sie versichert, nach so langen Jahren meiner Beschäftigung mit dem Haus – eigentlich spielt es keine Rolle mehr.«
       Er ließ sich nicht aus der Reserve locken. Dafür regte sich jetzt meine Neugier: »Warum sprechen Sie immer in Rätseln.Reden wir doch endlich über die Fakten! Was bedeutet die sich ständig wiederholende Unterschrift auf den alten Dokumenten, diese ewigen rechtwinkligen Initialen? Wer ist T.L.? Haben Sie ihn jemals kennengelernt? Was ist aus ihm geworden?
       Was verbirgt sich da oben in den verschlossenen Stockwerken?«
       Mahgourian schüttelte traurig den Kopf: »Nein, ich habe den Baumeister niemals kennengelernt. Nur einen Freund von ihm, den jüdischen Kaufmann. Und der hat nicht den geringsten Grund gehabt, mir zu vertrauen.«
       Mahgourian hatte den letzten Satz flüsternd und mit gebrochener Stimme gesprochen. Ich stand auf – aus Verlegenheit, murmelte eine leise Entschuldigung und ging ins Bad. Die Stimmungsschwankungen des Alten berührten mich mehr, als ich zulassen wollte. Das Wasser plätscherte sinnlos ins Becken, dann hörte ich ihn schluchzen. Ich schloß die Tür, wusch mir das Gesicht und sah mich lange im Spiegel an, hoffte, der Hotelier würde gegangen sein oder sich wenigstens gefaßt haben, bevor ich ins Zimmer zurückkehrte.
       Mahgourian stand am Fenster, die Hände in den Taschen, und sah auf die Straße. Er wirkte angespannt, hatte das Kreuz durchgedrückt, als würde er sich zwingen, Haltung zu beweisen. Einem Mann in diesem Alter, dachte ich, müßte es doch möglich sein, der Vergangenheit, jeder Vergangenheit zu trotzen.
       »Schwartz, der Vorbesitzer, hat hier im Hotel gelebt. Das war die letzte Bedingung gewesen für den Verkauf. Nicht einmal Geld war ihm so wichtig wie dieser Wunsch. Ich war Geschäftsmann. Er hatte in einem Spiel verloren, in dem ich damals

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