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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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ein glücklicher Gewinner war. Jeden Tag scheitern Menschen in dieser Stadt. All diese Paläste sind auf unzähligen Gräbern gebaut. Eine Stadt, die aus Goldbergen und Müllhalden besteht, straft Verlierer hart. Schwartz hat hier noch zwei Jahre lang gelebt. Dann schoß er sich eine Kugel durch den Kopf. Das ist hinter einer der verschlossenen Türen geschehen.«
       Ich schwieg eine Weile, um Fragen zurückzudrängen.Schließlich setzte ich mich wieder auf das Bett, aber Mahgourian rührte sich nicht von der Stelle.
       »Die Pläne brennen seit Monaten in meinem Kopf«, begann ich zögernd, entschlossen, vorsichtig zu bleiben, »ich hatte etwas Ähnliches schon einmal gesehen, ohne es zu begreifen.«
       Die Entwürfe, die ich gefunden hatte, legten nahe, ihr Urheber würde versuchen, tatsächlich nach ihnen zu bauen. Aber wie sollte ein solches Gebäude aussehen? Am ehesten hat es mich an einen Irrgarten erinnert. An ein nach einem wirren Entwurf verschachteltes Labyrinth. Aber es war dreidimensional. Der Mann, der sie gezeichnet hatte, notierte selbst, es sei nicht möglich, ein derartiges Projekt auszuführen. Aber das behauptete er vielleicht nur, weil er eingeschlossen war und den Mut verloren hatte. Der Dachboden war damals sein Gefängnis. Der Speicher der Villa meiner Urgroßeltern.«
       Mahgourian drehte sich nicht um. Ich konnte keine Reaktion erkennen. Er stand noch immer so dort, als würde er mit sich ringen müssen. Aber er stellte keine Fragen.
       »Kurz bevor ich mich entschied, hierherzukommen, verursachte ich einen Unfall, bei dem ein Mensch zu Tode kam. Sie haben recht, es liegt etwas hinter mir. Ich wäre sonst nicht hier.«
       »Unter Umständen sind solche Vorwände nützlich«, antwortete der alte Mann, »manchmal muß man sich selbst überlisten. Mir ist es leider nie gelungen.«
       Er klang müde.
      
      
       Laura singt noch immer nicht für mich. Ich habe beschlossen, es hinzunehmen, um weitere Katastrophen zu vermeiden. Abends sitze ich ruhig auf der Bank, als wäre nichts geschehen. Der Professor hat sein Verhalten mir gegenüber nicht wesentlich verändert. Zuweilen blickt er kopfschüttelnd herüber. Vielleicht glaubt er auch, ich hätte ihn durchschaut, begriffen, wie angenehm es ist, für wahnsinnig gehalten zu werden. Es senkt das Gefühl für Verantwortung spürbar. Ich sehe es ihm an den Augen an, er akzeptiert mich jetzt. Beide sind wir jetzt freier als andere. Trotzdem zeigt er Zurückhaltung. Er schweigt sich aus, solange wir allein sind. Als wären seine Vorträge nur für diejenigen bestimmt, die nicht unseresgleichen sind.
       Abends ist unser Park ein Beweis für die Geselligkeit gewisser Gesellschaftskreise in dieser Stadt. Sitzgelegenheiten sind dann rar. Jugendliche hocken auf den Lehnen, die Füße mit ihren offenen Sneakers (sie sehen hier fast immer aus wie gerade ausgepackt und nie getragen) auf der Bank. Diskrete Geschäfte werden abgewickelt. Ab und zu läuft ein ruinierter Schreihals vorbei, der droht, mit Waffengewalt die Bevölkerungsdichte zu senken. Er gestikuliert wütend und zieht weiter, diejenigen, die hier wirklich Kanonen tragen, sind unbeeindruckt. Der Professor ist erst kürzlich eingetroffen, hat einen älteren Herrn aufgefordert, ihm Platz zu machen, und nun sitzen sie einträchtig nebeneinander, von einer Kerze getrennt, die mein Freund aufgestellt hat. Er studiert seine Papiere, hat dabei, ich sehe sie heute zum ersten Mal, eine Lesebrille aufgesetzt. Das unterstreicht den Ernst seiner Bemühungen. Ich bin verhältnismäßig nüchtern: Kopfschmerzen, und Angst vor der mörderischen Courage, die sich einstellt, wenn ich meinen Mitteln unkritisch zuspreche. Zur Sicherheit lehnt der braune Papierbeutel neben meinem Oberschenkel, auch weil er zum Erscheinungsbild der Nachtschwärmer an diesem Ort gehört. Es ist hier nie gut aufzufallen. Eine Gruppe von Frauen, weiß und schwarz, in Jogginghosen zu meiner Rechten. Sie umringen rauchend und nickend ein Mädchen, das einen Minirock und Tennissocken zu High-heels trägt, es schreit und tobt. Ich kann nicht genau hören, worum es geht, tippe aber auf Beziehungsprobleme. Was bewegt denn Menschen sonst, mich einmal ausgenommen? Die Schwarze im Mittelpunkt sieht sich um. Ihre Züge sind greisenhaft ausgemergelt, tiefer Zorn lodert in ihren Augen. Ich genieße das alles. Immerhin sind es Menschen, denke ich. Ein Gebäude, lange und dunkle Korridore leben nicht, können nicht leben,

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