Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
Vom Netzwerk:
Unerwartete, ein Pfennigabsatz trifft mich, die Dürre ist es, einmal, zweimal am Kopf. Beim dritten Mal teilt sich meine Wange. Das letzte, was mir bewußt gelingt, weil der Knüppel weiter trifft, ist, mich über Laura zu rollen, ihren Kopf mit meinem zu schützen, sie zu umarmen. Leider reicht es nicht mehr für ein ermunterndes oder zärtliches Wort, jetzt, wo sich unsere Gesichter so nahe sind, zum ersten Mal, aber ich nehme ihren Duft wahr, endlich, und das Einschlafen unter schmerzenden Schlägen fällt leicht.
       Die Rettung am Ende war der Professor, der sein Strafgericht hielt. Zwei Kinnhaken, mit nüchterner Präzision geschlagen, reichten aus, als wäre es ein leichtes. Der erste traf die Ausgemergelte, der Mann fiel als zweiter.
       Ein paar Tage später saß ich an Lauras Bett, hatte den Weg in ihr Zimmer gefunden, das mit den vielen Puppen und Fotografien, den bunten Erinnerungsstücken nicht das Zimmer einer Erwachsenen sein konnte. Ich hörte ihr zu. Sie lag vor mir, eigentlich entspannt, ein großes Pflaster auf der Stirn und brachte mich in Verlegenheit, Laura trug ein enges T-Shirt, auf dem Life sucks! zu lesen war. Ich betrachtete – aus Befangenheit – die weichen Hügel ihrer Brust, deren feine Spitzen deutlich das Gewebe zeichneten. Laura erzählte mir alles, was man einem Menschen, den man kaum kennt, besser nicht erzählt: der Vater gestorben, die Mutter schwer krank, ein Selbstmordversuch und Drogen und Zusammenhänge, die nicht soviel Sinn ergaben wie der Satz auf ihrer Brust.
       Sie hielt dabei meinen kleinen Finger fest, wie es einmal ein Äffchen getan hatte, das mir in einem Streichelzoo auf den Schoß gesetzt worden war. Schon damals hatte mich diese Geste feiner Zurückhaltung sehr gerührt.
       Während einer Pause, in der nach den Regeln der höflichen Konversation meine Stellungnahme hätte folgen müssen, spricht es Engel aus mir heraus. Weiter komme ich nicht, denn dieses unvermittelt geäußerte Wort kommt mir selbst so unerhört vor, daß es mir die Sprache verschlagen will. Der Gesichtsausdruck, den ich daraufhin zeige, scheint Laura zu amüsieren, sie hält sich wie entschuldigend die Hand vor den Mund, während sie lacht. Aber dieses Lachen und der Ausdruck ihrer Augen dabei, nicht Entspannung bewirkend, wie ihr Gesang, verwirren mich weiter, bis mir reflexhaft ein Schmunzeln gelingt.
       Später streichelte sie ohne besonderen Anlaß, wie forschend, über die Fäden an meiner Wange. Wir hatten es doch zu einem Gespräch gebracht, lachten sogar gemeinsam, und einem unbestimmten Impuls folgend, streckte ich einen Finger aus, legte ihn an eine gewisse Stelle unterhalb ihres Pflasters, ein Grübchen, direkt über der Nasenwurzel. Ich wollte es nur berühren, feine weiche Härchen standen dort, Flaum nennt man es, obwohl sie zarter als jedes Gefieder sind, und die Weise, wie Laura mich ansah, während ihre Brust sich stärker hob, bis ihr Atem hörbar wurde, weil meine Hand die Wange erreicht hatte, ein Streicheln zurückgab, ließ den Rausch stärkster Mittel blaß werden.
       Als ich später bemerkte, daß ich gehen, längst gehen mußte, hielt sie meine ganze Hand in der ihren, jenes Äffchen hatte das nicht gewagt, und ich erkannte, daß es Zeit war, wieder an das Haus zu denken und an Mahgourian, der mir eine Karte geschickt hatte, die Postkartenansicht des Hotels, auf der ich ihn als jungen Mann erkannt habe, neben einem merkwürdig steif aussehenden Herrn mit Zylinder. Weitere Hinweise gab es nicht. Auf der Rückseite fanden sich Genesungswünsche und eine förmliche Einladung zum Abendessen.
      
      
       Unser Treffen fand in einem Raum im sechsten Stockwerk des Hotels statt, der seinem Büro unmittelbar gegenüberlag.Er war offensichtlich durch das Entfernen von Mauern zwischen den ursprünglichen Hotelzimmern entstanden und hatte beeindruckende Ausmaße. Die Ausstattung wirkte luxuriös, aber unpersönlich. Der Boden war mit orientalischen Teppichen bedeckt, an den Wänden standen kostbar aussehende alte Schränke und Vitrinen, daneben hingen Gemälde, die in einem verwischten fotografischen Stil Ansichten von großen Mietskasernen zeigten. Aber es gab keine Gegenstände, die auf den Privatmann Mahgourian hindeuteten, keine Fotos, keine Andenken, nicht einmal Bücher. Die Schränke waren verschlossen, und hinter den Scheiben der Vitrinen standen Kristallgläser und Porzellan, nichts, was auf einen individuellen Geschmack schließen ließ.
      

Weitere Kostenlose Bücher