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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Nein, du solltest ihnen Entspannung bringen und sie dabei ihr eigenes unterirdisches Selbst erkennen lassen. Du bist das Spiegelbild des Gesichtes, das glasig auf das gekaufte Mädchen starrt in einer finsteren Kammer, das Gesicht, das sie verfolgt, wenn sie unter ihren Decken keuchen. Sie sollen dich nicht los werden!«
       Was Jankel am Ende tat, war sowenig vielversprechend wie eine Karriere als Seiler, Schuster oder Brezenhändler. Und wäre alles mit rechten Dingen zugegangen, hätte schon die aus Panikattacken, Selbstmordszenarios und der aussichtslosen Jagd nach Bettwanzen bestehende Nacht vor dem ersten Arbeitstag dazu geführt, daß Jankel seine Stellung aufgrund persönlicher Mängel gar nicht erst angetreten und still leidend weiterhin von der wohlwollenden Unterstützung der Eltern und seiner neuen Mitbewohner gelebt hätte. Aber eine gewisse Inspiration, die in Mischkas Macht lag, die er verströmte wie feinen Parfümgeruch, hatte zum ersten Mal Jankels Stimmung um wenige Grade aufgehellt, so wie es auch der schmalsten Mondsichel mit der Nacht gelingt, und er nahm sich ernstlich vor, dieses Blümchen, das da über dem Dunkel seines Schädels blühen wollte, wenigstens an diesem, gerade anbrechenden Tag nicht zu knicken.
       Und so ging er in einen neuen, aber unauffälligen Dienstanzug gekleidet über die Deribasstraße, zeigte mit spitzem Zeigefinger auf die Beulen an den Seiten seines Jacketts und flüsterte, diejenigen, die seinem Blick nicht auswichen, fest anstarrend:
       »Obszönitäten – alle Geheimnisse des Boudoirs . . .«
       Hatte jemand ihn schließlich in eine dunkle Ecke begleitet und blinzelnden Auges nähere Informationen verlangt, zeigte er mit trauriger Miene, was er anzubieten hatte. Da waren die pornographischen Bildchen, von Studenten der Akademie gemalt, die, vorher durch alkoholische Getränke entwaffnet, in den drei Dutzend Bordellen rund um den Alexanderplatz Anschauungsunterricht erhalten hatten. Diese eilig produzierten Kunstwerke fand Mischka selbst vulgär (die Studenten hatten Phantasien, die gewöhnliche Ausstattungsmerkmale Liebender um zu viele Zentimeter verfehlten), und so plante er, in Kürze auf den Bereich der Fotografie umzuschwenken. Und da waren, Mischkas ganzer Stolz, die literarischen Produktionen seiner Mitarbeiter, Werke (von Juden geschrieben) wie »Die Nacht der frisch Vermählten« oder »Allein mit einer Venus« oder »Bekenntnisse eines ledigen Kammerdieners«. Auch eine jüdische Schmachtschrift (von einem Goj geschrieben) war verfügbar, sie bekam den Titel »Oi, Mame, ich bin gefallen!« und entwickelte sich zum Bestseller.
       Jankels Blick wurde während der Vorführung fest, der seiner Kunden unruhig. Er ließ sie zappeln, bis ihr Atem zu hören war.
       »Es ist aber der schlimmste Schund«, murmelte er dann mit tonloser Stimme, und natürlich wurden ihm seine Waren aus der Hand gerissen. Jankel schämte sich jetzt proportional zu seinem Verdienst, hatte aber, wie er sich eingestand, schon immer gewußt, daß die einzige Laufbahn, die ihm offenstand, der Weg der Schande war . . .
         
       Wenn es Mischka auch Mühe kostete, Jankel zum erfolgreichen Verkäufer erotischer Leckerbissen zu machen oder den sensiblen Zipperstein unter der Anleitung erfahrener Kräfte dem Lehrkörper seiner Diebesschule einzugliedern, wenn es auch kostspielig war, die akademische Karriere von Otto Schmidt zu begründen, und fast unmöglich, die schmale Auflage des Privatdrucks mit Ljutovs sentimentalen Poemen an den Mann zu bringen, erfüllte er seine Aufgaben vertragsgemäß und hatte Theos Samariterdienste nach etwa einem halben Jahr abgewickelt. Allein die Beschäftigung mit dem Zetergreis Birnbaum, den er gleichzeitig ignorieren und zu einem sicheren Lebensabend verhelfen sollte, zog sich über Jahre hin. Birnbaum war zu mißtrauisch. Vielleicht ahnte er Theos selbstlose Projekte. Erst drei Jahre später konnte der Alte zur Annahme eines vakanten Rabbinats in Berdichev, einem Schtetl in Wolhynien, verführt werden.
       Theo brauchte genau fünf Jahre und fünf Monate, um eine Generalkarte des unterirdischen Odessa zu erstellen. Obwohl er nicht trödelte, sondern das unterirdische Tunnelgeflecht (es maß in seinen begehbaren Strecken umwerfende zweitausendeinhundertundzwei Kilometer) täglich erforschte, schon um seinen neuen Nachbarn und den Geschäften des Herrn Japonchik nicht allzu nahe zu sein.
       Wenigstens sechs, manchmal acht oder

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