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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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übrigen Wege und Kniffe nicht mehr wirkten, weil sie selbst für Theo nicht mehr gut genug war.
       Auf der ganzen Strecke des Weges zu Juwelier Mahs empfand Manka Theos Verachtung. Nicht, weil Theo dergleichen in Worten oder Taten ausgedrückt hatte, sondern weil sein Verhalten ihr gegenüber keine andere Erklärung zuließ. So dachte Manka, während Alla tröstend ihren Arm hielt.
       Die Kosakin würde es Theo nicht sagen, nur für den Fall, daß irgendwann Vorwürfe laut werden sollten, bewahrte sie es auf: Das Geld stammte aus keiner gestohlenen Brieftasche, es war der Erlös eines ganzen Posten Flakons, auf Kredit und gut Glück bei Rubin Tsfibak in Auftrag gegeben und profitabel an die Modistin Joubert verkauft, die eine eigene Parfumkreation vorbereitete.
       Mahs hatte das Medaillon in ein samtbezogenes Osterei gebettet. Es sollte dem Beschenkten Glück bringen und lag nun rund und weich in Mankas Hand, beruhigte sie, vertrieb die bitteren Gedanken. Kaum konnte die Kosakin es erwarten, daß Theo, den dieses Geschenk doch erreichen mußte in seiner Verstocktheit, das Etui öffnen und ihr Medaillon am Hals tragen würde.
       Sie gingen schneller, es war schon spät. Umherstreifende Männer riefen ihnen nach, versperrten den Weg, machten Angebote, aber die Kosakin ließ sich durch solche Kerle nicht einschüchtern. In der Bolschaja Arnautskaja spuckte die Schwingtür des Löwen eine Bande Betrunkener aus. Sie grölten den beiden Mädchen und jedem anderen Passanten hinterher. Manka und Alla drehten sich nicht um. Die Männer folgten ihnen, holten auf, verströmten ihren animalischen Geruch, als hätten sie sich im Mist gewälzt und dazu getrunken.
       Die Bande machte weiterhin ihre Witze, schien den gleichen Weg zu haben oder haben zu wollen, erfand anzügliche Schmeicheleien, hatte in Worten schon ein dutzendmal zugegriffen und den Genuß dieser Lustigkeiten bildreich beschrieben.
       Manka wandte kurz den Kopf, wollte sich einen dieser Herren aussuchen, um ihn zurechtzuweisen – und drehte ihn gleich wieder zurück.
       »Hure, Diebin, Gossenschlampe«, tönte es plötzlich schrill. Petrovs Stimme hatte gelitten, klang nasal, seitdem sein Schädel durch das Vitriol abstrakt geworden war. Manka und Alla konnten auf den hohen Absätzen ihrer Schnürstiefel nicht schnell laufen. Sie versuchten es trotzdem, bogen in die Alexanderstraße ab, die zwar gut beleuchtet war, aber seit zwei Tagen wegen eines kommunalen Bauvorhabens in eine Sackgasse auslief. Verschlossene Fensterläden, wie immer in den selten mehr als zweistöckigen Liliputanerhäusern der Moldavanka. Die Bewohner schliefen oder lauschten ängstlich in ihren Betten. Alla lief noch weiter, aber Manka blieb stehen, mitten auf der Straße, und drehte sich um. In Petrovs verzerrter Maske wollte ein Grinsen Form annehmen. Er hielt eine Flasche in der Hand, aus den Öffnungen der Maske tropfte es, und was er sonst noch von sich gab, er hatte lange auf diesen Augenblick gewartet, klang wie ein seltsames Pfeifen. Alla schrie, schämte sich ihrer Feigheit und kauerte in einem Kelleraufgang. Die Männer umringten Manka zögerlich und rochen nach Aas.
      
       Sie werden mir nichts nehmen, was mir noch nicht genommen worden ist, dachte Manka. Nur das Medaillon dürfen sie nicht stehlen . . . Alla drückte sich noch tiefer zwischen die Mauer und den Anfang der Treppe und merkte, daß ihr Atmen ein Stöhnen geworden war.
       Sie hörte Manka schreien, dann schluchzen, am Ende beten. Ihr letzter Laut klang nicht mehr wie die Stimme eines Menschen. Alla hörte Töne wie das Brechen feinen Holzes und dann das Fluchen und Schnaufen und Lachen der Männer. Die Freundin trat in die Gasse und rief Mankas Namen, rief den Allmechtigen an und erhielt keine Antwort. Die Männer beachteten die Zeugin nicht, traten und sprangen und zerbrachen mit glänzenden Stiefeln. Passanten hatte sich müßiggängerisch und abwartend in der Straße versammelt, die Hände in den Hosentaschen. Einer schob sich nachdenklich die Mütze aus der Stirn. Da ging etwas vor sich. Ein verendetes Tier oder ein abgelegtes Kleiderbündel, als wären sie nicht mehr bei Verstand, so trampelten die Betrunkenen darauf herum.
       Ist das denn so, kann das sein, darf das sein?
       Alla war auf die Knie gesunken und schrie immer noch. Dann stürmten zwei an der Mordszene vorbei, Jungen, die Alla kannten, kamen in die Gasse gelaufen, stießen sich zwischen die Männer und Manka. Die

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