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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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ältesten aller Römerstraßen, zwischen ihrem zweiten und dritten Meilenstein, wo unterirdisch ein beachtlicher Teil der Katakomben zu finden ist, wo der Himmel, zum Zeitpunkt der Aufnahme, dunkles Grau zeigt, über einer öden, ebenen Fläche, über Krüppelkiefern, die den Straßenrand säumen und wie dürre Hände in die Luft greifen. Das Pflaster, die alten hexagonalen Steinblöcke, Lavagestein, wie die Waben eines Bienenstocks sehen sie aus, der in der Fläche ausgerollt ist, auf einem langen geraden Weg in den Süden. Die Via Appia, der antike Hauptweg nach Griechenland, die Straße also, die zum Ursprung aller Irrgärten führt, zum kretischen Minotauruslabyrinth, zum Königspalast von Knossos.
       Wir, Laura, Zack und ich, folgen Mahgourian, zunehmend besorgt um den alten Mann, der ein großzügiger Gastgeber war, dessen späte Selbstlosigkeit uns, obwohl wir nichts Besseres vorhaben, zu dieser Sorge verpflichtet.
       Mahgourian verweist auf Bianchis Bericht, der eine griechische Insel als Wohnort des Baumeisters wahrscheinlich macht, aber das, erlauben wir uns einzuwenden, war vor einem halben Jahrhundert, nichts ist wahrscheinlicher als der zwischenzeitliche Tod des Architekten. Welche Spuren auch noch zu finden wären, unter welchen Anstrengungen und unter welchen Umständen auch immer, am Ende stünde bestenfalls ein Grabstein, ein Grab, ein trauriger Nachgeschmack.
       Mahgourian kennt dieses Argument bereits und will es noch immer nicht gelten lassen, sowenig wie die Sorge um seine Gesundheit. Er bestreitet, daß die Legende des Baumeisters oder er selbst künstlich am Leben gehalten werden müsse. Er leugnet den Tod, verweist auf die robuste Natur und den strengen Willen des Baumeisters, auf die eigene Zähigkeit, spricht von dem günstigen Klima auf den Inseln, davon, wie gesunde Ernährung und Kargheit der Landschaft einem so komplexen Geist das Leben verlängern könnten. Natürlich hat Hellas zu viele Inseln, um sie einzeln abzusuchen, aber unbeirrbar, als wäre ihm der Weg von höherer Stelle und nicht durch eine Postkarte vorgeschrieben, hält Mahgourian an Kreta fest, glaubt, daß der Spurenleger die Spurensucher prinzipiell verwirren, aber nicht enttäuschen mag. Und ist dann selbst enttäuscht, als wir den labyrinthischen Königspalast von Knossos besichtigen, der keine Rätsel mehr aufgibt, für die man nicht Eintritt zahlen müßte. Die Industrie an diesem Ort, der die müde drängenden Touristen mit Softdrinks und bunten Broschüren in fünfzehn Sprachen versorgt, macht Mahgourian krank, so krank, daß nun doch Laszlo gerufen wird, der Diener oder Sekretär in Trauerschwarz mit der säuerlichen Miene.
       Im Hotel in Iraklion leidet der Kranke, vom Mut ganz verlassen, mit dem fiebrigen Wunsch, nicht an diesem gottverlassenen Ort sterben zu müssen, lieber in der Großstadt mit ihrer anonymen, aber authentischen Kultur.
       Der Sekretär erscheint, im schwarzen Anzug, korrekt und steif, bei 30 Grad im Schatten erinnert er an Gräber und Friedhöfe. Sein wächsernes Gesicht scheint Mahgourian trotzdem Linderung zu verschaffen, denn er verhandelt schon wieder kraftvoll, wir hören das undeutlich durch geschlossene Türen. Bis Laszlo instruiert ist, mich beiseite nimmt und mir mit nüchterner Würde seltsame Fragen stellt. Er unterbreitet mir ein Arbeitsangebot, ›das meiner Geschichte und Herkunft entspreche‹, wie er gelangweilt und hypothetisch formuliert, im dunkeln tappend, mich zum Lächeln bringend, weil das, was dieser Geschichte und Herkunft entspräche, nur in Alpträumen zu finden ist.
       Dann entdeckt ausgerechnet Laura auf der Suche nach Perlenketten oder Postkarten bei einem lokalen Trödler einen zerfallenden, in den Scharnieren quietschenden, nach Schimmel riechenden Handkoffer aus der Musterkollektion der Firma Bianchi. Das Firmensignet weist es deutlich aus. Der Trödler bewahrt sein Berufsgeheimnis, erst gegen eine größere Geldsumme gibt er seine, wie ich meine, erfundene Geschichte zum besten, die eine Entrümpelung in einem kleinen Dorf namens T. oder S. einschließt. Er erzählt vom Haus einer im Schaukelstuhl verstorbenen Lehrerin, die Olga hieß, natürlich könnte das ein russischer Name sein, die ohne verwandtschaftlichen Anschluß zu besitzen, auf dem Friedhof von T. oder S. oder dort in der Gegend, ein schönes kostspielig gestaltetes Begräbnis erhalten hat.
       Der herbeigerufene Arzt ist nicht verblüffter als wir. Alles gute Zureden hilft

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