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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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wovon und zu wem sprach.
      
       Krasnoglaz’ Atem ging endlich gleichmäßig, er stützte seinen Ellenbogen drei Armlängen neben Wassilev auf die Theke, schweigsam, aus Gewohnheit taub für das seine Arbeit begleitende Geschwätz, ihm war wohl, obgleich er nur einen Tee bestellt hatte, weil sein Schützling zahm am Tisch saß, scheinbar zur Ruhe kam und einsah, daß es nicht zu seinen Möglichkeiten zählte, sich gegen den König aufzulehnen.
       Krasnoglaz fürchtete den Interessenkonflikt, der hier herrschte, und litt an ihm, war sich aber sicher, daß Japonchik, selbst wenn Gelfermann und Bruchstein mit Messer und Pistole gegen den Jungen vorgehen mußten, von ihm erwartete, den Jungen zu schützen. Das war zwar widersinnig, aber es entsprach der Art von Humor, die Mischka schätzte, auch wenn es ihn sein Leben kosten sollte.
       Dankbarkeit empfand der Rotäugige, weil Theo so höflich war, ihn nicht in Verlegenheit zu bringen. Der schwerfällige Räuber hatte gezögert, sich aber doch nicht zu dem Jungen an den Tisch gesetzt. Er wollte sich nicht aufdrängen, wußte nicht, ob es zu seinem Aufgabenbereich gehörte, den Jungen zu trösten. Er fühlte sich dieser Aufgabe ohnehin nicht gewachsen, hätte es nur schwer ertragen, dem tapferen Kleinen ins Gesicht sehen zu müssen.
       Wassilev war gelangweilt von den Speichelleckern um ihn herum. Niemand kannte diese armseligen, in Rattenlöchern von Wohnungen hausenden, ausschließlich an Tresen zu Höchstform auflaufenden Schmarotzer besser als er. Er bestellte eine weitere Runde Bier und lächelte den Umstehenden gallig ins Gesicht.
       »Wer nimmt denn eine Frau ohne Mitgift«, äffte Wassilev sich selbst nach, als er schließlich neben Theo am Tisch Platz nahm. Krasnoglaz stellte abrupt sein Teetäßchen auf dem Tresen ab, als er Mischkas gepflegte Hand auf seinem Arm spürte.
       »Das bißchen, was sie gegeben hat, obwohl ich wußte, daß sie mehr besaß. Verstehst du jetzt, Söhnchen?«
       Theo hob den Kopf und betrachtete zitternd den Mörder, der keine Furcht zeigte, der wußte, daß es keine Akte zu Lisas Tod gab, in der auch nur sein Name erwähnt würde. Lisa war eine nicht gemeldete Frau, die bei Juden untergetaucht und in den Tagen des Pogroms umgekommen war. Mit so etwas beschäftigte sich die Polizei nicht weiter. Dreißigtausend Verbrecher, hatte der Polizeichef vor kurzem eine Zeitung wissen lassen, lebten in der Moldavanka, dort würden keine Hausmeister benötigt werden, hatte er verächtlich scherzend hinzugefügt, um den späten Heimkehrer ins Haus zu lassen, denn jeder, der in diesem Viertel wohnte, besäße einen Satz Dietriche.
       Nein, Wassilev fürchtete sich nicht, war auch zu betrunken dazu, wunderte sich nur oberflächlich über den Knaben, der gut gekleidet in der Kneipe aufgetaucht war, sich wahrscheinlich als Ladenschwengel oder Laufbursche durchschlug. Niemand hatte ja jemals nach dem Bastard gesucht, seine Papiere waren zusammen mit Lisas Ersparnissen verschwunden.
       »Verstehst du, Söhnchen, mehr ließ sich erst nicht aus ihr herausprügeln. Sie hätte es auch einfacher haben können, nichts – gar nichts, wäre dann passiert. Sogar für euch wäre etwas abgefallen. Von deinem Erzeuger, diesem Schwein, hätte es kommen sollen. Ich habe ihn übrigens kennengelernt und konnte mir ein paar Andeutungen nicht verkneifen. Aber so einer hält sich für unangreifbar. Es würgt mich, wenn ich sehe, wie ähnlich du ihm bist, und auch an Lisa erinnerst du mich. Es tut mir nicht leid, Junge, ihre eigene Schuld war es. Der Respekt vor dem Mann, der ihr helfen wollte, ein bürgerliches Gesicht zu bewahren, war nicht groß genug. Daß sie am Ende unterging – war vielleicht ein Unfall. Es ist geschehen.« Wassilev lächelte, trank durstig sein Bier, hörte kaum hin, als Theo, der ihn jetzt, als er seine kleinen Gemeinheiten losgeworden war, schon nicht mehr interessierte, zu ihm sprach.
       »Du sollst wissen – Ich werde dich töten . . . hörst du –«, sagte der Knabe leise.
       Sein Stiefvater grinste mißmutig, war durch dieses Geschwätz nur gelangweilt, war im Grunde auch gelangweilt vom Baugewerbe, das Arbeit verlangte und Speichelleckerei auf einer höheren Ebene. An Fällen wie dem von Lisa war er gewachsen, hätte gerne den arroganten Vater dieses Bastards erpreßt. Aber wie langweilig war es, ein Geschäftsmann zu sein, so langweilig und feige wie dieser Junge. Er wollte schon aufstehen und gehen,

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