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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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Klinge sieht, entsteht eine Pause. Der Konflikt beginnt spröde zu werden, spekulativ wie der Zorn in Zacks Augen. Und dann kippt einer von ihnen betrunken und wie in Zeitlupe von der Lehne der Bank ins Gebüsch. Das allgemeine Lachen klingt wie ein Rauschen in meinen Ohren.
       Der Professor passiert den SA-Mann, der bereits aufgestanden war, zieht eine Bierdose aus der Palette am Boden und wirft den Stiefkindern der Geschichte eine Handvoll Münzen vor die Füße.
       Unser Marsch zurück zum Hotel dauert fast eine Stunde. Nur Laura plappert vergnügt. Ihre Seligkeit ist etwas, das man nicht stören will.
       Die Kohlenaugen des Professors zeigen, daß er eigentlich ungehalten ist angesichts der Unterbrechung seines Unterrichts. Möglicherweise habe ich meine Lektion noch nicht gelernt. Widerstand leisten, auch gegen sich selbst, eine Überlebensstrategie, die ihn kompromißlos in den Untergrund geführt hat.
      
      
       Das Geschichtenerzählen liegt den Armeniern im Blut. Ihre Literatur gehört zu den ältesten der Welt. Drei Jahrtausende ist sie alt, wurde in assyrischer, medopersischer und griechischer Schrift verfaßt, ehe sie sich ein eigenes Alphabet erschuf. Denken Sie etwa an eines der ältesten erhaltenen Originalwerke Das Leben des seligen Mannes Matoc, des Lehrers , die Geschichte, von Koriun aufgezeichnet, beschreibt den beeindruckenden Lebensweg jenes braven Gelehrten, der mit Unterstützung des griechischen Schreibers Rophanos die armenische Schrift erfand. Oder die Arbeiten des Nerses Schnorhali, den man auch den Begnadeten nannte, von Gottessehnsucht inspirierte biblische Phantasien, sie sind bis heute als Gebete und Kirchenlieder erhalten. Unvergessen auch Mah , der Tod, des Dichters Nar-Dos. Entstanden 1912, schildert der Roman die Probleme eines psychisch labilen jungen Mannes, der vergeblich einen Ausweg aus seiner von Schwermut und Furcht geprägten Lebenssituation sucht und diese Welt schließlich freiwillig verläßt.
       In Mahgourian, dem Hotelbesitzer, setzt sich diese lange Tradition des Erzählens fort. Das Talent, lose Fäden, widersprüchliche Ideen oder ganz unerhörte Lebenszeugnisse zu verbinden und zu einer organischen Fabel zu verweben, die für kurze Zeit die eiserne Tür aufstößt, die zwischen dem verlassenen Individuum und der Einsicht in sein Schicksal steht, besitzt der alte Mann ohne Zweifel. Vielleicht liegt es auch an jenem Luxus, den er sich leistet und den ich damals nicht begriffen hatte, nach Ursprung und Wurzeln zu forschen, der Schicksale, die seine Wege kreuzen und denen er nicht ausweichen kann. In diesem Sinne ist auch er ein Baumeister, ein Architekt der Rekonstruktion.
       Meinen Urgroßvater stellt er sich als einen Menschen vor, der stundenlang durch die schlierigen, regennassen Scheiben eines Fensters schaut, in das Feuer im Kamin oder die Heckstrudel jenes Motorbootes, das er und der Minenbesitzer, damals noch sein Kommilitone und Freund, über den See bewegen. Der Freund will Ingenieur werden, er ist Diplomatensohn. Der Vater Gesandter in Assuan, sein weißer Anzug lehmbespritzt, er steht am Flußbett des Nils, vor der riesigen Steinwand des Staudamms, fasziniert von der Leistung der Technik, die den Menschen zum Gebieter über Naturgewalten macht. Der eigentliche Reichtum des mächtigen Flusses liegt im Sediment, das dem Niltal von Afrika bis Ägypten die Fruchtbarkeit gibt. Organische und mineralische Stoffe, die Nahrung der Pflanzen. Die Nahrung der Menschen, hatte der Gesandte seinen Sohn gelehrt, wächst auf Bäumen und Feldern. Das, was die weitverzweigte Maschine speist, die der Mensch benötigt, um sein Leben komfortabel zu erhalten, ist unterirdisch entstanden. Der Sohn ist aufmerksam, wenn ihm sein Vater von den Rohstoffen erzählt, die in Milliarden Tonnen von Gestein, den Häuten der Erde schlummern und die man wie ein Geheimnis dem dunklen Grund entreißen muß. Wie im Märchen nämlich kann die Entdeckung dieses versteckten Schatzes unendlichen Reichtum bedeuten. Oft sind jene Stoffe dem schlichten Ort, an dem sie entstanden sind, gemäß unscheinbar und müssen sich erst verwandeln. Bauxit etwa. Der Grundstoff für ein neuentdecktes Edelmetall, Aluminium, auf das schon bald keiner mehr verzichten möchte. Es hat als Werkstoff eine Revolution ausgelöst. Dreimal leichter als Stahl, leichter als jedes andere bislang bekannte Metall. Die Menschen werden es verwenden, um durch den Himmel zu fliegen, die leichtesten

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