Trojaspiel
Fortbewegungsmittel aller Zeiten zu ersinnen. Flugzeuge, Schiffsrümpfe, Eisenbahnwaggons, auch Prothesen, Türklinken und Kochgeschirr. Im Jahre 1907 wird auf der Automobilausstellung in Berlin ein Motor aus Aluminium vorgestellt, und im Jahre 1930 prägt sich der Glanz des rostfreien Metalls für immer dem Weltgesicht ein, der Architekt William van Alen hat mit ihm die Turmspitze des berühmten Chrysler Buildings gestaltet, des höchsten Gebäudes der Welt.
Ein Handschlag unter Freunden, mehr braucht es im Märchen nicht, um das Glück in die gewünschte Richtung zu lenken. Auf den Diplomatensohn kann sich der Zahlenmagier verlassen und umgekehrt. Der junge Rechenkünstler leiht sich Geld von seinem Professor, der an ihm mit abgöttischer Liebe hängt, dem Wunderkind, das Dezimalzahlen bis zur soundsovielten Stelle nach dem Komma im Kopf berechnet. Als Pfand hat der Begnadete ihm sein Genie anvertraut und die Gewißheit, daß er einmal an diesem zweifellos titanenhaften Lebensweg einen Grundstein gelegt hat. So geht der Diplomatensohn mit dem erborgten Kredit des Freundes davon, zieht in die Ferne nach Kamerun, nach Costa Rica, nach Surinam und Venezuela und schließlich nach Sumatra. Sein Geschick und der einfache, noch ungetrübte Glaube an Ideen, an die Zukunft und den erträumten Reichtum treiben ihn vorwärts, und nach kurzer Zeit ruft der zwergenhafte Paquito, ein schielender Mineur, der als mitgereister Lohnarbeiter den Spaten in den verwitterten Boden des Regenwaldes treibt, angeleitet vom schweigsamen Ingenieur Schwartz, Caramba por dios la tenga! Die Hand, an der zwei Finger fehlen, wedelt dem melancholischen Deutschen, der die feuchte Hitze und den Dreck schon lange nicht mehr ertragen kann, dessen Glaube nicht ungetrübt ist, die glückliche Nachricht zu. Noch einmal stößt der Spaten in den Boden der nicht einmal zwei Meter tiefen Grube. Hombre! stöhnt Paquito, er hebt ein paar rotbraune Klumpen auf und schleudert sie von sich, vor die Füße des bleichen Deutschen, in dessen Augen die Malaria glänzt und der das kleine dunkle Glas mit den Chinintabletten als seinen kostbarsten Besitz betrachtet. Aber Paquito hat einen wirklichen Schatz entdeckt. Selbst der Papagei, ein junger Gelbbrustara, hat ein Gefühl für die Aufregung, die langsam einsetzt. Er sitzt auf einem Holzgestell, das ein stämmiger Kreole dem deutschen Ingenieur hinterherträgt. Schwartz wischt sich den Schweiß von der Stirn, während der Papagei ein keckerndes Geräusch hören läßt und schließlich den Kopf schräg legt, um die Situation einer scharfen Beobachtung zu unterziehen.
Hombre! dringt es aus Paquitos rauher Kehle. Immer wieder.
Aber das war nur der Anfang.
Wie dem Knaben, der einen Schatz sucht und ein ganzes Königreich gewinnt, ergeht es dem Diplomatensohn. Der ungläubige Ausruf des Mineurs hat die Geburtsstunde eines Imperiums angezeigt.
Ein Herrschaftsgebiet, das die Kontinente umspannt, das von Südamerika bis Afrika reicht. Es ist auf Bauxit und Zinn und später auf Gold und Diamanten und Kautschuk gebaut.
Die Natur schenkt dem Glücklichen.
Das Darlehen des Zahlenkünstlers hat sich ausgezahlt und ist das Hunderttausendfache wert geworden. Der Mathematiker schaut nun durch größere Fenster in einem größeren Haus in denselben Regen, in die gleiche grünliche Wasserlandschaft hinter seiner Yacht, die jetzt mächtiger ist als jede andere auf dem See. Aber er ist allein, nur die Zahlen leisten ihm Gesellschaft.
Dann, eines Tages, macht er den größten Fund seines Lebens. Er erkennt einen Reichtum, noch märchenhafter als derjenige, den er bereits genießt.
Er findet einen wirklichen Freund, einen, der sich mit den gleichen Dingen beschäftigt wie er selbst, der sich in den gleichen Räumen aufhält, in Räumen, für die andere nie einen Schlüssel finden.
Natürlich mußte Mahgourian ein Foto von T.L. entdecken. In einer Akte unter Aktenbergen, die seit Jahrzehnten nicht gelesen, nicht einmal berührt worden waren. Es war im Jahre 1914, als sich der Baumeister unsicher, unverbunden mit dieser Sprache, diesem Land und seinen Gerüchen durch einen Kolonialwarenladen meiner Heimatstadt bewegte. Wenn man etwas lernen konnte, dann hier. An diesem Ort war alles versammelt, was das sorgenfreie Leben jedermann, auch dem Fremden, zu bieten hatte, Sprache war dazu kaum nötig: Da waren die Fässer mit Salzgurken, mit Pflaumenmus und Sauerkraut, die
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