Trojaspiel
klimatisierten, Geräusch und Pflasterstoß absorbierenden Limousine. Zack spürte den Vorboten eines Katers nach, er döste mit halbgeschlossenen Augen. Laura hatte ihr Kinn auf die wie zum Gebet gefalteten Hände gestützt, noch eine kränkelnde Pose, oder doch die Andacht der Pietà.
»Jemandem, der mit Akribie Häuser plant, in denen ein wirres Gangsystem zu einem immer bestimmten Ziel führt. Wie muß er sich fühlen, wenn er dann die Irrgänge der Katakomben betritt, die real existieren, kein Ziel haben und mit lauter Toten gefüllt sind?«
Zum Frühstück am nächsten Morgen erschien Mahgourian mit dem Gesichtsausdruck eines Magenkranken. Er grüßte nicht einmal, sondern setzte sich nur verärgert auf den freien Platz an unserem verschwenderisch eingedeckten Tisch. Nichts konnte ihn aufheitern, weder Zacharias, der all die silbernen Gerätschaften vor sich mit spitzen Fingern anfaßte, der aus Gründen, die er bislang nicht mitgeteilt hatte, seine roten Hosenbeine bis über die Knie gekrempelt trug, noch Laura mit ihrem benommenen Robbenblick, dem Buschwerk schlafzerwühlter Locken, in dessen Unterholz eine einzelne Daunenfeder leuchtete.
»Guten Morgen«, wünschte der Professor streng, aber der alte Hotelier verzog nur den Mund.
Zack lobte versöhnlich das Rührei, aber auch damit stieß er auf taube Ohren. Nach ein oder zwei Minuten allgemeiner Sprachlosigkeit schlug Mahgourian plötzlich mit der flachen Hand auf den Tisch. Lauras kurzen Aufschrei und den Professor, der erschrocken sein Buttermesser fester packte, bemerkte der Alte nicht. Er fluchte laut und beschimpfte Bianchi, der das Treffen mit uns um einen weiteren Tag verschoben hatte. Diese Nachricht mußte Mahgourian unhöflicherweise nicht von ihm persönlich, sondern von einer Telefonistin des Hotels entgegennehmen.
Damit geriet seine Theorie, hier habe eine versteinerte Königstochter auf einen erlösenden Kuß gewartet, ins Wanken. Unser Gastgeber verstand diese Verzögerung als Strategie, als Teil eines geheimen Planes. Wie ein genasführter Kommissar argwöhnte Mahgourian, Bianchi habe »Dreck am Stecken« und wollte womöglich Beweisstücke beiseite schaffen. Ein paar deftige Schimpfworte noch, das spürte ich, ein weiteres Anwachsen der Blutdruckamplitude, und unser Gastgeber würde loslaufen, um den Italiener persönlich in Ketten zu legen.
»Einfacher wäre es allemal gewesen, uns nicht hierherzubestellen, oder?« warf ich so gelassen wie möglich ein.
Mahgourian schnaufte laut.
»Warum gehen Sie nicht einfach davon aus, daß es in der Welt des Lederwaren- und Kofferhandels Verpflichtungen gibt, die wichtiger sind als diese Geste der Hilfsbereitschaft bei – ungewöhnlichen Nachforschungen?«
Mahgourian betrachtete mich mit Geringschätzung.
»Sie glauben also, ich habe nicht die Wahrheit gesagt«, murmelte er.
Ich schüttelte den Kopf.
»Wenn wir wirklich etwas erfahren wollen, dann sollten wir sehr freundlich zu Herrn Bianchi sein und ihn nicht unter Druck setzen.«
Zack nickte zustimmend.
Mahgourian knurrte unentschlossen. Schließlich tauchte er seinen Zeigefinger nervös in eine muschelförmige Schale mit Apfelgelee. Er betrachtete den bernsteinfarbenen Kiesel auf seiner Fingerspitze, bevor er ihn in den Mund steckte.
»Ich habe nicht sehr gut geschlafen«, brummte er wie im Selbstgespräch, »es ist heiß hier, Zacharias, sehr heiß, sie hatten recht. Und ich bin ein alter Mann.«
Eine Stunde später befinden wir uns auf dem Weg nach Castel Gandolfo. Die dritte Karte des Baumeisters: eine schon verblichene Fotografie, sie zeigt den Anschnitt jenes steilwandigen Kraters, in dessen Grund der Albaner See liegt. Die Fotografie, aufgenommen irgendwo oberhalb, vom Rande des grünbewaldeten Kraterhanges aus, präsentiert den malerischen See in schwindelerregendem Blickwinkel. Mahgourian, dessen Atemlosigkeit plötzlich ein Ausdruck von Kraft zu sein scheint, will diese Absturzperspektive, den Standort eines selbstmörderischen Fotografen im erodierenden vulkanischen Tuff um jeden Preis finden. Denn dieses Foto ist nicht gewerblich, das Strichraster der Postkartenrückseite fehlt, so wie ein Kommentar, es gibt nur Adresse und Briefmarke.
Das Städtchen dort oben, in dem sich die Sommerresidenz des Papstes befindet – unter jenem Urban von jenem Bernini erbaut –, der Baumeister muß da selbst am gefährlich
Weitere Kostenlose Bücher