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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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unerfüllbare Pflicht abtreten wollen. Es klingt, als hätte ich mich bislang undankbar gegen eine Rolle gesträubt, die er mir zugedacht hatte. Und die Unzulänglichkeit seiner willkürlichen Inszenierungen plötzlich einsehend, senkt er den Kopf.
       »Es wäre mir jedenfalls sehr recht«, sagt er kaum hörbar.
       Den weiteren Verlauf unseres Ausfluges beherrscht mechanische Gleichgültigkeit, die Schweigsamkeit und Zurückhaltung von Menschen, die ahnen, daß Unachtsamkeiten sie in die Katastrophe führen könnten.
       Weder Vorwürfe noch Fragen, noch Erklärungen sind zu hören, während der etwa vierzig Minuten, die unser Fahrer braucht, bis wir das Hotel erreicht haben.
       Ohne Kommentar übernehme ich es, Laura aus dem Auto zu helfen und sie in das Hotel zu führen. Mahgourian, das sehe ich ihm an, als er dem Concierge seine Zimmernummer nennt, den Schlüssel erhält und trotzdem stehenbleibt, überlegt einen Augenblick, ob er einen Arzt rufen, Laura womöglich in ein Krankenhaus bringen muß. Aber er vertraut den Mitteln – denn darauf liefe es ja hinaus – nicht mehr. Das Verständnis, das nötig wäre, Laura vor dem Wasser zu retten, in das sie tauchen wollte, setzt mehr voraus, als die Medizin, die er kennengelernt hat, bieten kann.
       Ich bin es also, der Laura auf ihr Zimmer bringt. Hier sitze ich bald orthogonal auf dem äußersten Rand der Sitzfläche des Stuhles des Zimmers, in dem keine Klagen zu hören sind. Ich betrachte meine Hände eingehend. Aber Zacks große Pranken sind es, die ihre Abdrücke auf Lauras Oberarmen hinterlassen haben. Sie liegt in das vorübergehende Arrangement einer Kissenlandschaft getaucht, deren wichtigster Zweck es ist, ihr Gesicht zu verbergen. Ich habe ihr die Turnschuhe ausgezogen, zu mehr tauge ich wohl im Augenblick nicht, und betrachte das winzige Loch über dem Zeh in einem ihrer Socken. Das Kleid ist ein wenig hochgerutscht, und so entdecke ich auch noch eine Biene auf ihrer Wade, seitlich, die auf zwei Beinen steht und die Muskeln spielen läßt, ein Kindertattoo zum Aufrubbeln, wo sie das nur wieder herhat.
       Ich beginne, etwas zu erzählen, über Rom, einen früheren Besuch, meine einzige Klassenfahrt, natürlich ist da kaum ein Zusammenhang, aber das macht den Charakter der Ablenkung aus, sie öffnet eine Tür, die vorher nicht zu sehen war, man kann heraustreten aus einem Raum, der möglicherweise beklemmend wirkt. Das gilt für beide Seiten. Redefluß beruhigt, ich komme Mahgourian auf die Schliche, denke ich, sein Geschichtenerzählen ist konkurrenzfähig zu den Mitteln.
       Dann Zacharias, den es in der Nacht zuvor aus dem Hotel getrieben hat, er stolziert eine Weile durch das Viertel, tut das, was die Touristen machen: Er sitzt auf der Spanischen Treppe, marschiert die Via Condotti auf und ab und landet schließlich irgendwann auf der Piazza Navona, wo er die drei Bienen, das Zeichen der Barberini, dem Geschlecht Urbans, am Mohrenbrunnen entdeckt, Bernini hat sie überall hinterlassen, ein meißelnder Imker. Zack spricht mit einem Taroco, der ein Greisengesicht und blondiertes Haar hat. Er beherrscht berufsbedingt fünf Sprachen, und als er Zack sieht, der eine Weile vor ihm steht, nur stumm betrachtend, die Hände in den Taschen, verzichtet er auf die fünfzehntausend Lire für das Kartenlegen und danach auf die fünfzehntausend für das Handlesen. Zack bleibt wortkarg, und das Ergebnis der magischen Untersuchung verblüfft ihn nicht im geringsten. Er öffnet sein Hemd ein wenig weiter, als das Zwiegespräch, auf Campingstühlen neben dem Brunnen geführt, vorüber ist, zieht die spitzen Kragenenden seines schwarzen Hemdes weit über das Revers und geht davon, die Hände wieder in den Hosentaschen. Der Taroco steht auf und sieht ihm nach. Der Professor strebt zielsicher südlich über die Piazza San Pantaleo und die Via Baullari zum Campo dei Fiori, dem Platz, auf dem im Februar des Jahres 1600 Giordano Bruno als Ketzer verbrannt worden ist. Er riecht den Fäulnisgeruch, der über dem Pflaster liegt, hier und da Pfützen, in denen noch Tomaten- und Fenchelreste vom täglichen Markt schwimmen. Die Augen auf die düstere Statue des Häretikers gerichtet, tritt er in die tiefste und schwärzeste und schmutzigste aller Pfützen und bleibt, wohl nur um des Eindrucks willen, den er macht, denn der Campo ist auch nachts ein belebter Platz, einfach darin stehen. So kam es also, daß Zack am nächsten Morgen, um den schmutzigen Rand seiner

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