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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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diesen Liebesdienst besser meinem Vater erweisen sollen, werden Sie sagen? Am meisten Verständnis habe ich tatsächlich bei diesem Fall für denjenigen, dessen unrühmliche Legende es ist, als Wahnsinniger den Tod gesucht zu haben. Er ist seinem Handwerk immerhin bis zum Ende treu geblieben. Wenn sein gescheiter Bruder die Geste verstanden hätte, die Geste des Freitodes in einer Lohgrube, wenn er etwas mehr als bloß Durchschnittliches jemals zu leisten imstande gewesen wäre, hätte er selbst versucht, den übrigen Körper dieses Erwählten ebenfalls zu erhalten.«
       Mahgourian hüstelte, schwieg aber. Der Kaufmann hatte sich in Rage geredet. Er tanzte wie ein summender Kreisel durch eine Geschichte, die ihn seit langer Zeit beschäftigen mußte. Jede Unterbrechung hätte ihn wieder zur Besinnung kommen lassen können. Zu der Überzeugung, die ihm am Anfang dieser Begegnung ins Gesicht geschrieben stand: daß eine solche Wahrheit besser zu verschweigen sei.
      
       »Statt seinen Sekretär zum Teufel zu schicken und sich um die Firma zu kümmern, begann mein Vater, Rachepläne zu schmieden. Vermutlich lag in der Verstümmelung und dem Selbstmord des Bruders, gerächt durch eine grandios ausgeführte Vendetta, endlich die poetische Veredelung seines Lebens, die ihm unsere Herkunft und all die Grafen von Rotz bisher verweigert hatten.
      
       Wie es ihm gelang, seinen Sekretär für das Vorhaben zu gewinnen, weiß ich nicht. Er wird ihm nicht die Wahrheit gesagt oder ihn durch Vorspiegelung väterlicher Gefühle zum Schicksalspartner gemacht haben. Möglich ist auch, daß der junge Mann der Meinung war, durch seine Mitwirkung das Schlimmste zu verhindern.«
       Aus irgendeinem Grund zwinkerte mir Bianchi jetzt zu. Ich lächelte ihn aufmunternd an, als wäre alles, was wir gehört hatten, nicht mehr als ein großes Vergnügen. Ihn irritierte das nicht.
       »Der Knabe wurde ausgeschickt. Er sollte sich umhören. Die russische Gemeinde der Stadt bestand damals aus Kaufleuten, Studenten, ein paar herumhurenden Adligen und einer Reihe von versprengten Sozialisten. Aber wer kannte einen stattlichen blonden Saufkopf, der vermutlich Deutscher war, ein schneidiges Auftreten besaß und mit verkleideten Russen in trüben Spelunken konspirierte? Und wer wollte darüber reden? Deutsche gab es viele in der Stadt. Da waren nicht nur die gelehrten Altertumsforscher, verhinderte Dichter auf den Spuren von Goethe und Herder, junge Maler auf den Spuren der Nazarener, Archäologen und pensionierte Studienräte und Touristen, die sich in Trastevere mit Frascati aus den Albaner Bergen unter den Tisch tranken. Tatsächlich gab es auch gewisse schnauzbärtige Herren, mit verkniffenen Augen, in strenger Garderobe, sie gingen so steif, daß der nonchalante Römer glauben mußte, sie hätten einen Spazierstock verschluckt. Diese Herren benahmen sich sehr gesittet und suchten ihre besonderen Andachtspunkte in der Stadt auf. Sie spazierten gedankenverloren über den alten, von hohen Mauern geschützten deutschen Friedhof, in der Nähe der Peterskirche, sie bestaunten Overbecks Fresken in der Villa Massimo, eingedenk der guten alten Zeiten vielleicht sogar Thorvaldsens mächtigen Fries, der den Quirinalspalast mit dem Triumph Alexanders ziert und lüpften natürlich jedesmal diskret den Hut, wenn sie den doppelköpfigen Reichsadler an einem derjenigen Gebäude sahen, die der deutschen Nationalstiftung gehörten. Aber wozu sind diese Herren eigentlich in Rom? Sie schreiben oder malen nicht, sie verzichten auf Wein und leichte Mädchen und zwingen statt dessen ihre Zugehfrauen den Vatermörder so scharf zu bügeln, daß er ihre stolzen Hälse aufrauht. Zum Arbeiten gingen sie übrigens gelegentlich in die Via Condotti 61, auch wenn auf Nachfrage dort die meisten dieser Herren nicht bekannt gewesen wären. Dort nämlich, im edlen Palazzo Caffarelli, befand sich die deutsche Gesandtschaft. Schon deswegen war jene edle Straße nicht nur die ewige Flaniermeile von Stendhal, Byron, Shelley, Goethe und D’Annunzio, sondern auch von Spionen und Spitzeln.
       Nachdem unser junger Freund mit einem bessarabischen Arzt aus Akkermann Tee, mit einer Modistin aus Kiew Champagner und mit ein paar Klezmer-Musikanten aus Galizien zuviel Wodka getrunken hatte, geriet er an eine Gruppe junger russischer Exilanten, Marxisten mit finnigen Gesichtern und ungepflegten Bärten. Sie luden ihn nicht zum Trinken ein, obwohl sie aus reichen Familien in

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