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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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diesem Punkt hieß mein Vater den Jungen die Observation abzubrechen. Er war zuversichtlich, jetzt alle Informationen zu besitzen, die notwendig waren, um mit diesem Schurken abzurechnen.
       Ich bin mir übrigens sicher, daß er seinem Sekretär nichts von den weiteren Plänen, die er verfolgte, verriet, nicht nur, weil er keinen Mitwisser brauchen konnte, sondern auch, weil er Mitleid mit dem Jungen hatte, der, davon war er überzeugt, selbst schon einiges durchgemacht haben mußte. Seine Schweigsamkeit bezüglich seiner Vergangenheit und einige – sagen wir: ungewöhnliche Verhaltensweisen legten das nahe. Außerdem war eine Vendetta eine Familienangelegenheit, selbst mein so überaus gebildeter Vater wird das nicht vergessen haben.
       Es war ein leichtes für ihn, herauszufinden, was der Handelsvertreter tatsächlich tat, um seine unwürdige Existenz zu sichern. Nicht nur die kaiserliche Familie gehörte zu den Kunden der Bianchis, auch einige weitaus vornehmere Adlige als jener Baron von Rotz. Einer von diesen hochwohlgeborenen Kunden war ein Oberst von S., Mitglied des deutschen Generalstabes. Er hielt sich oft in Rom auf. Mein Vater, der ihm selbstverständlich auch seine Seele überschrieben hätte, versprach lediglich, der heiratsfähigen Tochter des Edelmannes ein komplettes Hand- und Reisegepäck sowie sämtliche im täglichen Leben unentbehrlichen Börsen, Taschen, Mappen und Necessaires einschließlich eines vollausgestatteten Frisiertisches zum Zusammenklappen im Schrankkoffer zu verehren. Vermutlich wäre das Bestechungsgeld bescheidener ausgefallen, hätte der Fürst nicht, als der Name des Deutschen von meinem Vater ganz beiläufig fallengelassen wurde, eine schrecklich mürrische und amtsmäßige Miene aufgesetzt. Aber am Ende – was wollte denn mein Vater schon wissen, doch nicht etwa, daß seit 1887 ein geheimes und bis zum Ersten Weltkrieg mehrfach erneuertes Verteidigungsbündnis zwischen dem Deutschen Reich, Italien und Österreich-Ungarn bestand, mit dem gesamten Aufwand an Geheimdiplomatie und entsprechend verschwiegenem Personal (aber wem in Rom mit Kontakt zum Quirinal war das denn nicht bekannt?), er wollte nur die Rolle erfahren eines unangenehmen Roués, der gerade dabei war, aufgrund seiner Ausschweifungen, sich Sympathien zu verscherzen, jemand der, wenn man traditionell dachte und in dem Wort Geheimdiplomatie die Betonung auf Diplomatie legte, gar nicht dazugehörte.
       Und ja, verehrte Gäste, so kam mein Vater in jene deutsche Garnisonsstadt. Er kam mit der festen Absicht zu töten. Natürlich wollte er sich diesen Spaß nicht unter seinem wirklichen Namen erlauben, und da er wohl von der Bildung der Deutschen, die er bislang kennengelernt hatte, nicht geradezu überwältigt gewesen war, gab er sich diesen klangvollen Namen (und bewies damit tatsächlich den Humor, den ich eingangs erwähnte).
       Aber so gewissenhaft Alessandro Bianchi in Geschäftsdingen gewesen war, die Vorbereitungen für seine operettenhafte Vendetta ließen zu wünschen übrig. Fehlte es denn an Inspiration? Gab die Literatur seiner umfangreichen Bibliothek nicht verwendbare Konzepte für eine Tragödie oder meinetwegen ein zynisches Lustspiel her? Lag es etwa daran, daß die Aufträge nach Giorgios in der Presse weidlich ausgebreitetem Unglück zur Hälfte und nach seinem Tod fast gänzlich ausgeblieben waren und die Firma noch bis kurz vor seiner Abreise am Rande des Ruins gestanden hatte? Waren es die Nachwehen einer poetischen Verzweiflung darüber, daß die schaurige Mär über das verstümmelte Genie nicht (wie es heute, wo die Barmherzigkeit ohne solche drastischen Anregungen doch gar nicht bestehen würde, ohne Zweifel der Fall wäre) im Gegenteil die Umsätze vervielfacht hatte?
       Gleichwohl, alles ging schief.
      
       Kaum hatte er sich in strategischer Nähe zu der Kaserne diskret eingerichtet und seine Räumlichkeiten mit solchen Utensilien ausgestattet, die im Falle einer überstürzten Flucht für ausreichende Verwirrung sorgen und darüber hinaus den Verdacht zerstreuen würden, daß es sich bei diesem Attentat um eine ganz ordinäre Blutrache handelte, als er feststellen mußte, daß sein Sekretär, den er mit Dank, besten Wünschen und ein paar väterlichen Ermahnungen für die weitere Ausrichtung seiner Studien zurückgelassen hatte, ihm heimlich gefolgt war. Natürlich, er hätte darauf kommen müssen, daß der Bengel einfach nicht dumm genug gewesen war, ihm die Absicht

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