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Trojaspiel

Trojaspiel

Titel: Trojaspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Hoepfner
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dann erst leiden, ihn als unerträglich betrachten, wenn einen der Erzähler sozusagen bei der Hand genommen hätte, mitgenommen hinter die Tür, die er verschließt, so daß man zusehen, die Messerstiche zählen muß . . .«
       Bianchi machte eine Pause und sah in ratlose Gesichter.
       »Glauben Sie übrigens, was Sie wollen. Aber Sie sind nicht hierhergekommen, um ein Verbrechen aufzuklären. Sie wären auch an der falschen Adresse. Ich zweifle nicht an der Version meines Vaters. Oh, ja, er wollte diesen Sklarz töten. Er hätte vermutlich versucht, es zu verschweigen, wenn sein Plan gelungen wäre. Aber es gab keinen Grund, etwas zu verheimlichen. Ich wollte von dieser erbärmlichen Posse nichts wissen. Aber er mußte darüber sprechen, mir alles erzählen. Denn der Sekretär, er kam eines Tages zurück.«
       Bianchi bedachte uns mit einem verdrießlichen Blick, der zu sagen schien, daß er seine Besucher, nicht anders als den Baumeister, für lästige Schmeißfliegen hielt und uns, nachdem er mit einer merkwürdigen Schadenfreude über das Schicksal seiner Verwandten berichtet hatte, nur sehr widerwillig von T. L. erzählen wollte, gegen den er irgendeinen tiefen Groll hegen mußte.
       »Sklarz hatte sein Schicksal der Geldgier zu verdanken. Er bespitzelte russische Sozialisten im Auftrag des Kaiserreiches. Seit der Revolution von 1905 hatte der deutsche Nachrichtendienst ein gewisses Interesse daran, die destabilisierenden Kräfte unter Nikolaus II. kennenzulernen. Man tat das sehr vorsichtig, denn rein privat hatte ja Wilhelm II. ein gutes Verhältnis zum Zaren. Nikolaus war immerhin sein Cousin. Aber die militärischen und wirtschaftlichen Differenzen der beiden Großmächte waren längst offenbar. Ob Sklarz’ Mangel an Fingerspitzengefühl den Ausschlag gab oder ob er die Arbeit zu sehr mit seiner persönlichen Genußsucht verknüpft hatte, das verriet jener Oberst von S. meinem Vater nicht. Vermutlich war aber die Tatsache, daß Frau Balabanov im Bett nicht so gesprächig gewesen war, der Grund dafür, daß von Sklarz sich wieder mit Codeschlüsseln und der Nachschuborganisation für fiktive Aufmarschpläne an fiktiven Kriegsschauplätzen beschäftigen durfte, der üblichen Schreibtischarbeit also, einer Beamtentätigkeit in der Etappe des Agentenkrieges. Sie vertrug sich nicht mit dem Selbstverständnis des blonden Helden und schon gar nicht mit seinen Trinkgewohnheiten. Aber von Sklarz hörte weder auf, sich mit der Balabanova zu treffen, noch mit anderen Russen. Und so geriet er am Ende an die Ochrana. Erst verkaufte er den Agenten des Zaren das Bettgeflüster der Balabanova, und schließlich, weil auch seinen neuen Auftraggebern zu dünn war, was Lenins spätere Sekretärin der Komintern über den Fortschritt der proletarischen Revolution in die Kissen stöhnte, lieferte er ihnen die Ergebnisse seiner Sandkastenoperationen für den Generalstab, Codetabellen, Karten, Briefe und Befehle.
       Und wahrscheinlich wäre diese lukrative Tätigkeit als Doppelagent niemals aufgeflogen, wenn er nicht in jener elenden Spelunke mit Giorgio aneinandergeraten wäre. Die Vorgesetzten des Agenten waren weniger dickfellig als die römische Polizei. Aber sie brauchten auch nur zwei und zwei zusammenzählen. Die Nachfrage meines Vaters bei Baron von S. tat ein übriges. Man versetzte Sklarz zurück zu seinem alten Regiment. Der Generalstab verzichtete auf Siegfrieds Dienste. Ob sein Mörder aus den eigenen Reihen oder von der Gegenseite kam, hat mein Vater nie erfahren. Jedenfalls haben die deutschen Militärbehörden den Fall vertuscht. Mich wundert also nicht, daß die Akten jenes rührigen Kommissars verschwanden. Das Gift Aconitin war auch in Geheimdienstkreisen beliebt. Mein Vater hatte bei der Wahl des Mordwerkzeuges den richtigen Riecher besessen. Hätte man ihn mit der Ermordung des Herrn von Sklarz in Verbindung gebracht, wäre vermutlich eine ganze Lawine von Skandalen losgetreten worden. Aber ich weiß ja, daß es nicht der Agent ist, der Sie interessiert.«
       Mit einem Ruck erhob sich Bianchi aus seinem Stuhl. Seine Arme baumelten unentschlossen an den Seiten. Er kniff seine Lippen zusammen, streckte den Kopf vor und betrachtete uns mit einem zornigen Blick. Mit einem Mal macht es den Anschein, als würde er sich einem Verhör, dem er sich nur widerstrebend unterworfen hatte, endgültig entziehen wollen. Er war erregt.
       »Ist es denn ein Verbrechen, sich einen Mord vorzustellen, ihn sich

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