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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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in den Kopf kommen, lass sie einfach stehen und sage: Ich wähle solche Gedanken nicht, und sie werden bald verschwinden. Wenn du eine stetige Entschlossenheit bewahrst und an dieser Zielrichtung festhältst, dann wirst du erkennen, wie du diese Wahlmöglichkeit einsetzen und dein Bewusstsein kontrollieren kannst, so dass dir keine unerwünschten Gedanken kommen. Dann kannst du auf vollständige und richtige Weise Läuterung erfahren“ 8 .
     
    ***
     
    Nachdem ich wieder voll einsatzfähig war, schippte J wie stets Aufträge herein und ich sah mich  und meine Crew über kurz oder lang wieder in der gleichen Tretmühle.
    „Wir können das Ganze umgehen, wenn wir noch einen Kameramann fest einstellen und einen flexiblen Drehbuchautor“, sagte ich zu J und wunderte mich, wie wenig Gefühle ich ihm entgegenbrachte. J tat mir komischerweise überhaupt nicht mehr weh. Inzwischen war er für mich nichts weiter als ein großer, triebgesteuerter Junge und ich wunderte mich, ihn je anders gesehen zu haben. Dieses Empfinden machte mich ihm gegenüber mehr als frei. Ich konnte offen mit ihm umgehen, mit ihm Witze reißen, über seine Attitüden lachen und ihm die Pistole auf die Brust setzen, so wie jetzt. Das war alles so schnell gegangen! Mit Dankbarkeit dachte ich an WOM, ohne dessen Hilfe mir das nie gelungen wäre.
    „Schon wieder Fixkosten“, grummelte J. „Ich hasse Fixkosten, du weißt das“.
    „Kein Problem, dann stellen wir auf Honorar-Basis ein ...es wäre eine Überlegung wert, nur noch große Aufträge anzunehmen... diese kleinen Dinger kosten immens Zeit und werfen nichts ab“
    Aber J konnte zu keinem Auftrag „Nein“ sagen. Was ich vorher als absolute Stärke verklärt hatte, erkannte ich jetzt als Schwäche. Er konnte nicht Nein sagen, weil er Angst hatte, etwas zu verpassen. Er musste einfach alles mitnehmen. Es war, als ob ich ihn endlich von einer höheren Warte aus sehen konnte. Freundlich lächelte ich ihn an – und merkte, dass genau das ihn störte.
    „Was machen eigentlich deine Hauskauf-Absichten?“ fragte ich, um abzulenken.
    „Meine Hauskauf... ach... das! Das Millionärshaus! Echt scheiße, der ist nicht aufzutreiben, der Freak, ich meine für ein persönliches Gespräch!“
    „Ist er denn in der Gegend?“ fragte ich verwundert. „Ich dachte, er wohnt nicht mehr hier, doch schon seit Jahrzehnten nicht mehr“.
    „Tut er auch nicht“. J deutete auf ein Kuvert, das auf seinem Schreibtisch lag und mit wundersamen Briefmarken bestückt war. „Es ist nicht so, dass er nicht kommuniziert, er hat mir sogar persönlich geschrieben. Momentan ist er in Zentralafrika“
    „Er hat dir geschrieben? Was denn? Hat er vor zu verkaufen?“
    „Nein! Eben nicht! Aus welchem Grund auch immer! Ich meine, die Hütte steht leer! Seit Jahren! Manchmal scheint er für eine Woche oder zwei hier zu sein. Oder lässt Freunde drin wohnen. Was für eine Verschwendung!“
    „Was macht er denn in Zentralafrika – wohnt er da?“
    „Keine Ahnung. Der letzte Brief kam jedenfalls aus Thailand“.
    „Wie, noch einer?“
    „Ja, meinst du, ich geb’ so schnell auf? Da kennst du mich aber schlecht – ich krieg das Ding schon noch,  das schwör’ ich dir“.
     
    ***
     
    Ich schreie. Schweißgebadet sitze ich im Bett, der Pyjama ist komplett nass und kalt. Auch das Laken. Ich ziehe das nasse Zeug aus, schaue auf die Uhr. Ein Uhr in der Früh. In drei Stunden bin ich bei WOM. Erschöpft lege ich mich noch für zwei Stunden auf die Couch, aber ich kann nicht schlafen. Ich denke an meinen Verfolger und frage mich, was er von mir will.
    Um 3.50 stehe ich vor der Tür. WOM ist da. Ich falle ihm um den Hals und drücke ihn ganz fest.
    „Oh“, sagt er. „Oh... mein Mädchen...ach, du je, mein Kleines...“
    Tränen schießen mir in die Augen. Ich denke an die Verabschiedung jeden Mittag, sein Lächeln. „Dann bis morgen mein Kind“. Ich wäre gern sein Kind. Ihm fühle ich mich mehr verwandt als meinen Eltern. Ist das ein Frevel? Mit diesen Gedanken im Kopf gehe ich mit ihm auf dem inzwischen so vertrauten Weg. Ab und zu schaut er zu mir, als ob er sich einer Sache vergewissern wolle, aber ich weiß nicht, was. Irgendetwas ist in mir in Aufruhr, ich spüre es, aber kann es nicht greifen.
    An diesem Morgen nimmt der alte Mann aus einem zierlichen Fläschchen einen Tropfen Öl und reibt ihn mir mit dem Finger an die Stirn. Ich rieche die starke Essenz, atme sie ein, werde etwas ruhiger.
    WOM beobachtet mich,

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