Tropfen im Ozean
früher. Meine Kehle klopfte noch immer und ich fühlte mich leicht benommen. Ich beschloss, sofort nach dem ersten Bewerber nach Hause zu gehen.
Er war ein schlichter Mann und hatte ehrliche Augen - er gefiel mir. Das Gespräch, an dem auch Elisha und Rob teilnahmen, weil wir ja alle zusammenpassen mussten, lief komplikationslos. Als er gegangen war, schaute ich meine beiden Mitstreiter an.
„Und?“ fragte ich. „Was meint ihr?“
„Der passt“, sagte Rob. „Er ist geradeheraus und weiß gar nicht, wie viel Feeling er hat“.
„Bist du sicher, dass er es hat?“ fragte Elisha. Sie war trotz ihrer Spiritualität immer herrlich unsicher in solchen Dingen.
„Bin ich“, sagte Rob. „Übrigens, Elisha...“
„Bloß kein Witz!“ giftete sie.
„Ach, komm – du warst heute den ganzen Tag schon griesgrämig! He, was ist los?“
Elisha warf ihm einen aufgebrachten Blick zu, sagte irgendetwas von Toilette und weg war sie. Rob sah mich verblüfft an.
„Rob, ich glaube, sie hat im Moment ein bisschen Probleme mit Ralf“, erklärte ich und stand auf, um meine Sachen zu packen. „Lass sie in Ruhe... die Arbeit ist ja auch nicht ohne...“
„Mit diesem Apokalyptiker hätte jeder Probleme“, sagte Rob und grinste. „Hast du seine neueste Version gehört? Er isst jetzt nicht nur vegan, er kocht auch nix mehr. Nur noch Rohkost. Außerdem hat er einen Autor ausgegraben, der sagt, dass Kartoffeln Schweinefraß sind! Der glaubt tatsächlich, allein durch seine Essgewohnheiten zur Erleuchtung zu kommen!“
„Und?“ fragte ich zurück. „Was hast du geantwortet?“
„Ich hab Elisha das Buch mit dem Mönch gegeben, der Fleisch isst“, sagte Rob. „Der hat ein richtig nettes Gesicht, im Gegensatz zu diesem Stinkstiefel...“
Seine Augen strahlten geradezu und ich knuffte ihn automatisch in die Seite, als Elisha mit rotem Näschen wieder bei uns auftauchte. „Elisha!“ rief Rob und sie drehte die Augen nach oben. „Der kleine Mark Felix (3) sagt: „Ich hab gestern ein Kondom auf de Terrasse defunden“. Darauf sagt die kleine Carmen (4): „Was ist das... Terrasse?“
„Mann, Rob, halt einfach die Fresse“, sagte Elisha. Rob fiel für eine Sekunde die Kinnlade nach unten. Dann grinste er wieder.
„He, Elisha“ rief Rob. „...du machst dich! Weiter so! Ich bin...“
„Rob!“ zischte ich. „Halt doch endlich mal den Rand! Ich gehe jetzt und du benimmst dich, alles klar?“
Da steckte Susann den Kopf zur Tür herein.
„Der Kameramann ist da. Hast du die Unterlagen?“
„Ja, ja, haben wir hier“, sagte ich.
„Wie heißt der Typ?“ fragte Elisha übelgelaunt. „Muss ich da eigentlich dabei sein? Das kann doch Rob...“
Aber Susann hatte den Mann schon herein gebeten. Er hatte dunkelblondes Haar, hübsche grüne Augen und ein gewinnendes, überaus freches Lächeln. Seine hippe Jeans, aus der neckisch karierte Boxershorts vorspitzten, betonte einen echten Knackarsch und um seinen Hals war ein schöner Schal gewunden. Rob und ich standen auf, um ihn zu begrüßen und in dem allgemeinen Tumult entging uns Elishas Reaktion. Erst, als ich sie vorstellen wollte, sah ich, dass sie wie festgenagelt auf ihrem Platz saß und den Typ anstarrte, als sei er Jesus, der dem Grab entstiegen war.
Und weil ich Elisha so entgeistert ansah, fiel mir wiederum Robs Miene zu spät auf. Dessen Züge waren nämlich ebenso entgleist, so wirkte es zumindest, denn als ich ihn ansah, bemühte er sich sichtlich um Contenance. Kannten sie den Typen?
***
„Elisha, was mit dem neuen Kamermann?“ fragte ich sie, als wir uns ein paar Tage später zu einem Glas Rotwein trafen.
„Oh Gott“, platzte sie zu meiner Überraschung inbrünstig heraus. „Ein Sahneschnittchen! Findest du nicht? Zierlich, höflich... einigermaßen zumindest... naja, eigentlich ist er sogar ziemlich frech...“ sie wurde rot und hielt sich die Hand vor den Mund. „...aber absolut charmant und sooo süüüß!“
„Was ist denn das für ne Ansage?“ entfuhr es mir, völlig baff über diese pubertären Ausführungen und erstaunt, Elisha in einem solchen Delirium zu erleben. Aber Elisha hörte mich gar nicht, sondern schnatterte ohne Punkt und Komma weiter:
„ ... ich meine, seine Mutter ist genauso durchgeknallt wie meine... stell dir vor! Er heißt Orlando! Er hat einen Filmnamen wie ich... das ist ein Zeichen!“
„Ja, du liebe Zeit“, sagte ich und musste lächeln. „Was ist denn mit dir los? Und was ist mit Ralf?
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