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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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Krähenfüße hat? Schadet das nicht Ihrem Image? Was sagt denn Ihr plastisches Chirurgenherz dazu?“
    „Mein plastisches... was?“ Ein leises Lachen folgte, äußerst sympathisch, mit einem tiefen, kehligen Unterton, der etwas in mir zum Vibrieren brachte. Ich schloss die Augen und lächelte stumm ins Telefon.
    „Heißt das jetzt ja oder nein?“ wollte er wissen. Ich machte die Augen wieder auf.
    „Das heißt ‚ja’, vorausgesetzt, wir gehen irgendwohin, wo Sie keiner kennt, sonst denkt jeder, ich hab mich liften lassen“.
    Und nachdem er stutzte: „Scherz! Joke! Das war ein Scherz! Sagen Sie mir, wo ich sein soll und ich bin da“.
    „Ich hole Sie ab“, sagte er und ich spürte sein Lächeln durchs Telefon. „Wie es sich gehört. Sagen Sie mir, wo ich sein soll und ich bin da“.
     
    ***
     
    WOM war zurück. Eine Woche ohne ihn und ich hatte es kaum erwarten können, ihn wieder zu sehen. Als er morgens an der Tür stand und auf mich wartete, rannte ich auf ihn zu und umarmte ihn, so fest ich konnte.
    „Na, na“, lächelte er. „Was für ein Empfang!“
    „Gott, ich bin so froh, dass du wieder da bist!“ flüsterte ich. Es war früher Morgen, es war kühl, die Tage wurden kürzer. Der Herbst stand bevor, der Wald roch erdiger als sonst, nach Pilzen, aromatisch, der Himmel hatte dieses unglaubliche Azurblau und das Laub machte erste Ansätze, sich zu verfärben.
    Ich war so glücklich, ihn zu sehen, dass ich alles andere vergaß. War glücklich, die wenigen Minuten bis zu unserem Platz zu laufen, mich ins Zelt zu setzen, um mit ihm zu meditieren. Es war eine so erhabene Stimmung. Feierlich, glänzend und ich fühlte mich so froh innendrin. Mit ihm zu meditieren war so besonders. Sein hoher Zustand ließ mich in Sphären kommen, die ich ohne ihn noch nicht erreichte. Still saßen wir in der Dunkelheit und ich horchte in mich hinein. Da war dieses Glücksgefühl und ich erinnerte mich an einen Rat, den er mir in einem der vielen Gespräche gegeben hatte.
    „Wenn du Glück spürst im Herzen... dann geh tiefer. Geh tiefer in das Glück, denn da ist noch viel, viel mehr... und wenn du Freude fühlst, dann geh in diese Freude, tiefer und tiefer und wenn du Liebe fühlst, dann versink darin, lass sie sich ausdehnen. Da ist noch viel mehr Liebe, noch viel mehr Friede, noch viel mehr Freude in dir, als du dir vorstellen kannst.“
    Das tat ich jetzt. Ich fühlte diese Freude und stürzte mich hinein. Meine Mundwinkel bogen sich nach oben, mein Körper war leicht, die Wirbelsäule streckte sich von alleine, bis sie in der richtigen Stellung war, mein Kopf neigte sich ganz leicht nach unten. Ich spürte das Krönchen über dem Scheitelpunkt schweben und dachte an die Freude, an das, was ich im Moment so deutlich fühlte. Der Atem strömte ein und aus im ewigen Rhythmus, ein Kreis, der im Herzen anfing, im Herzen endete. Ein und aus, ein und aus. Sie wurden tiefer, die Atemzüge, bis ich nicht mehr feststellen konnte, wann das Einatmen begann und das Ausatmen aufhörte, ich sank in mich hinein. Atmete ich noch? Ich nahm das nicht mehr wahr, schwebte in einer dunklen Leere, sicher, geborgen, allmächtig, und doch war alles voller Glanz und Liebe. Ja, da war Liebe, eine unendliche, grenzenlose Liebe. Diese Leere war so voll. Und plötzlich blitzte etwas auf, ein unwahrscheinlich helles, klares, blaues Licht. Es kam näher und näher und näher und ich war voller Erwartung, voller Vorfreude, ich wusste, das war etwas Wunderbares, unvorstellbar Schönes... aber da hämmerte etwas in mir, der Verstand, der sagte: Du atmest nicht mehr! Du atmest nicht mehr, kein Atem mehr...! Das Licht erlosch und langsam kehrte ich in diese andere Realität zurück.
    Wie spät war es? Wo war WOM? Ich sah mich um. Das Zelt war offen, aber die Tür aus Leinwand nicht zurückgeschlagen wie sonst. Still saß ich im Nachhall dieses Erlebnisses, bis mein Kopf mir meldete, dass es längst Zeit war, rauszugehen.
    Meine Beine waren taub, ich konnte kaum laufen. Als ich nach draußen humpelte, saß der alte Mann auf der Bank, eine Thermoskanne vor sich statt dem üblichen Becher. Ruhig goss er mir den Ingwertee ein.
    „Wie spät ist es?“ fragte ich.
    „Halb sieben“, antwortete er. „Du warst heute lange da drin“.
    Ich schwieg und setzte mich neben ihn. Es gab nichts zu sagen.
     
    Am Nachmittag kam ich wieder.
    „Mach das nicht“, sagte er, klipp und klar, als ich ihm von den letzten Ereignissen, E!Liza betreffend, erzählte.

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