Tropfen im Ozean
Sie wissen, dass Sie das Skript nicht vergüten müssen. Wenn Sie ein besonderes Drehbuch wollen, will ich die Besonderheiten Ihrer Firma ausfindig machen und in Szene setzen. Und die will ich von Ihnen erfahren, weil Sie offensichtlich das Herz des Unternehmens sind. Ich brauche Ihre Zeit und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sie mir geben.“
Er zögerte, dann gab er mir den Termin, betonte dabei aber ständig, dass das keine Zusage sei und dass für ihn noch alles offen wäre.
Der Tag ging dann dennoch drauf, weil Wiedemann mir zumindest mit einem Angestellten eine Führung durch die Firma organisierte, für die ich dankbar war. Ich fragte ihn Löcher in den Bauch und mein Diktiergerät war voll, als ich nach fünf Stunden wieder bei einem übel gelaunten J landete, der sich die Zeit notgedrungen in der Stadt hatte vertreiben müssen. Herr Wiedemann hatte ihn nicht nur nicht, wie sonst üblich, zum Mittagessen eingeladen - er hatte ihm noch nicht mal ein Essen in der Kantine angeboten geschweige denn in der für besondere Gäste vorgesehenen Edelabteilung - und das war ein äußerst schlechtes Zeichen.
So fuhren wir tatsächlich ohne Unterschrift zurück und im Auto baute sich bereits nach den ersten Kilometern eine unerträgliche Spannung auf. J schmorte eine Weile vor sich hin, dann fing er an zu sticheln. Ich versuchte, es zu ignorieren und freundlich zu bleiben, aber das schien seine Wut noch mehr anzustacheln und schließlich entlud sich das Gewitter.
„Du! Du bist schuld!“ schrie J. „Was musst du auch krank machen, du blöde Tuss! Monatelang! Jetzt schau, dass du das wieder hinbiegst! Unsere ganze Firma hängt am Arsch nur wegen deiner Scheißflausen!“
Erschrocken registrierte ich, dass er sich wieder Pillen einwarf.
„Was nimmst du da?“ wagte ich zu fragen und nickte zu dem Päckchen hin, das er in seine Tasche schob.
„Kümmer’ dich um deinen eigenen Dreck“, sagte J grob und schloss die Augen. Er schlief 20 Minuten, wachte wieder auf und telefonierte, als ob sein Leben davon abhinge.
***
„Also, sie trifft sich mit den Produzenten, wegen der Sendung. J will, dass wir das filmen“.
„Wie soll das denn gehen?“ fragte ich zurück. „Sie wird sich kaum öffentlich irgendwohin setzen“.
„Doch, genau das hat sie vor. Sie will die Tatsache, dass sie eine eigene Sendung bekommt, vermarkten“.
„Aber wenn sie das tut, sind wir wieder nicht die einzigen“, registrierte ich mutlos. „Dann haben wir wieder nur etwas, was andere auch haben“.
„Vielleicht ergibt sich ja hinterher die Gelegenheit für ein Interview“, hoffte Jimmi. „Vielleicht kommen wir irgendwie an sie ran.
„Das wage ich zu bezweifeln“, seufzte ich. „Aber anyway – wir brauchen die Aufnahmen. Dann also, in Gottes Namen... hoffen wir, dass wenigstens bei ihren Eltern was geht“.
„Süße, ich muss Schluss machen“, rief Jimmi. „Mir läuft grad n’ Promi vor die Linse.“ Und zack, weg war er.
Mit einem unwohlen Gefühl im Bauch legte ich auf.
***
Wir waren beide nervös.
„Wie gehst du vor?“ fragte mich Jimmi.
„Ganz einfach. Ich klingele und frage, ob sie bereit sind, mir etwas über Ihre Tochter zu sagen“.
„Tür zu und das war’s“, sagte Jimmi verdrießlich. „Ich dachte, du hast einen Plan“.
„Jimmi, so was ist nicht mein Job!“ rief ich nervös. „Normalerweise bekomme ich Material im Auftrag eines Kunden! Aber das hier... das hier ist... ich weiß gar nicht, wie du das tagtäglich machen kannst!“
„Tja, das weiß ich auch nicht. Und mir stinkt es genauso, glaub mir“, antwortete er.
„Hast du vielleicht ne Idee?“ hakte ich nach. „... eben, weil du das öfter machst, als ich?“
„Du könntest dich als ihre Freundin ausgeben“.
„Mit dir und der Kamera auf der Schulter?“
„Naja, ich positioniere mich natürlich so, dass sie mich nicht sehen“.
Mein Magen drehte sich um. Das waren schreckliche Methoden, aber ich willigte ein, einfach, weil ich diesen Mistfilm endlich ad acta legen wollte.
Das Haus der Hänslers war überraschend groß, wenn man ihm auch ansah, dass mit den Jahren gewisse Renovierungsarbeiten nötig geworden waren. Es wirkte seltsam verwaist, wie abgestorben, teilweise sogar unfertig. An vielen Fenstern waren die Rollläden heruntergelassen, obwohl es Tag war. Die Steintreppe war abgetreten, die Fassade blätterte an manchen Stellen ab, an der Haustür befand sich ein alter abgeschrammter, ehemals mit Messing
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