Tropfen im Ozean
„Diesen Film würde ich ablehnen, wenn ich du wäre“.
So deutlich war er noch nie gewesen. Bisher hatte er immer darauf bestanden, sich nicht einzumischen. Hatte die Themen auf seine Weise beleuchtet und mich dann gehen lassen, wohin ich wollte.
„Aber das ist meine Eintrittskarte“, sagte ich. „Mir ist auch nicht wohl dabei, aber J nagelt mich auf diesen Film fest“.
„Nein, da sind zu viele Hindernisse“, sagte er.
„Welche Hindernisse denn?“
„Na, das merkst du doch. Du kriegst keinen Stoff zusammen... die Türen werden dir vor der Nase zugeschlagen... und du musst lügen und betrügen, um an das zu kommen, was J von dir will. Warum will er das überhaupt?“
„Tja... er hat wohl mit irgendeinem Produzenten einen Deal. Ein privater Sender. WOM, ich hätte beste Sendezeit! Eine Erwähnung im Abspann und in der Moderation! Das wäre der Durchbruch, das, worauf ich so lange schon gewartet habe!“
Er wackelte mit dem Kopf. „Das fühlt sich nicht gut an“ sagte er. „Gar nicht gut“.
„Aber die Kehrseite ist, dass ich es tun muss “, sagte ich verzweifelt. Was hatte ich gehofft... dass WOM mir Mut zusprach? Nach allem, was ich selbst gefühlt hatte? „J tickt aus. Er nimmt Drogen und trinkt und sein Umgang ist...“
„...und du lässt dich da jetzt mit reinziehen, weil dein Ego meint, du kämst nur mit seiner Hilfe raus“, sagte er streng.
Ich schwieg.
„Überleg doch“, beharrte er und klang etwas milder. „Wie fühlst du dich denn dabei?“
„Besch... euert“, murmelte ich. „Das ist nicht mein Ding. Ich hab es auch Jimmi gesagt. Ich kann das nicht. Das Wiedemann – Drehbuch ist ne ehrliche Sache... aber E!Liza... ich meine, mich würde ein Aufklärungsfilm reizen, weil ich es blöd finde, dass so jemand eine Sendung bekommt – ein weiterer Erdrutsch im TV, bei dem auf Kosten anderer Einschaltquoten erzeugt werden“.
„Aber der ganze Film basiert auf Kosten anderer. Du bist ja auch bereit dazu – auf Kosten dieser E!Liza deine Karriere freizuschaufeln. Und obendrein über jemanden zu urteilen, den du gar nicht wirklich kennst. Kannst du wirklich damit leben?“
So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Es war unschön, aber wie immer leider wahr. Betreten schwieg ich.
„Und was soll ich deiner Meinung nach tun?“ fragte ich.
„Die Fähigkeit entwickeln, voranzuschreiten und gleichzeitig loszulassen“, erwiderte er.
„Ach WOM, damit kann ich nichts anfangen!“ rief ich. „Das... entschuldige bitte... aber das ist... eine Floskel! Wie soll das in der Realität aussehen?“
„Denk an den Tropfen“, sagte er. „Fließ mit dem Ozean... da musst du gar nichts denken dabei“.
„WOM, gib mir was Konkretes!“ verzweifelte ich. „Das ist so kryptisch!“
„Ich geb’ dir kein Rezept mit Bedienungsanleitung“, gab er gemütlich zurück. „Das wäre dir gar keine Hilfe. Jetzt ist wichtig, dass du auf dein Herz hörst und das tust, wozu du stehen kannst“.
„Aber ich bin doch nicht für E!Liza verantwortlich!“ gab ich zurück, an meiner „nur noch dieser eine Film-Theorie“ festhaltend.
„Nein, das bist du nicht. Aber du bist für deine Taten verantwortlich. Darüber haben wir schon gesprochen, nicht?“
Ich schwieg, wütend, weil er mir meine Lösung nahm, frustriert, weil ich keinen Ausweg sah. Mit einigem Horror hörte ich mich selbst sardonisch fragen:
„Da heißt es immer: ‚Mach was aus deinem Leben’ und wenn man’s dann tut, soll man auf Erfolg und alles Mögliche verzichten. Oder ihnen keine Bedeutung beimessen. Man soll dem Erfolg nicht hinterherrennen, aber gleichzeitig heißt es: ‚von nichts kommt nichts’. Und du sagst noch obendrein, ich solle mich von Freude und Schmerz lösen...!“
„Nein, ich hab gesagt, du solltest Glück und Trauer als das gleiche betrachten. Es sind Gefühle, nichts weiter. Du solltest keines dieser Gefühle inflationieren. Sieh doch, wo die Menschen stehen, weil sie genau das tun. Sie rennen Glück hinterher. Macht sie das glücklicher? Nein. Ich kann das nicht sehen. Keine Spur“.
„Aber wie fühlt sich das an, wenn man ein Tropfen im Ozean ist? Das hört sich so ... farblos an! So... fremdbestimmt!“.
„Das ist es nicht“, erwiderte er und ein leichter Schalk blitzte wieder in seinen Augen auf. „Hab ich dir schon so oft gesagt! Du wanderst von einem glückseligen Moment zum anderen – ganz unabhängig vom äußeren Geschehen. Menschen versuchen, diese Szenarien in den Griff zu
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