Tropfen im Ozean
zur Sache.
„Ihr werdet alle auf ein Zeitmanagement-Seminar gehen“, sagte er. „Das zahlt ihr aus eigener Tasche.“
Wieder ging sein Blick zu mir. Ich weigerte mich, Rob oder ihn anzuschauen. J begann Details für das Seminar zu erklären, die alle an mir vorbei rauschten. Nervös sah ich auf die Uhr.
19.28, 19.29, 19.30. Blick zum Fenster. 31, 32, ... Gott, er kam! Das musste er sein! Ein heißer Strahl fuhr in meinen Bauch, kribbelig blickte ich zu J. Und Punkt! Er war fertig. Gott sei Dank! Wieder rannte ich, wie von der Tarantel gestochen, aus dem Schulungsraum in mein Büro, rein in Kleid und Schuhe, griff die Clutch und ab durch die Mitte.
Elisha kam mir entgegen und bekam große Augen. Sie wollte was sagen, aber ich rief ihr zu, keine Zeit zu haben und rannte durch die Eingangstür. Es war perfektes Timing.
Herr Weidner stand mit einem wunderschönen Aston Martin DB6 vor der Tür, lässig an die Tür seines Wagens gelehnt. Fast hätte ich ihn nicht erkannt im Sakko, mit Sonnenbrille und ohne den Dreitage-Bart. Oh, er sah traumhaft aus! Und das Gros der Belegschaft, einschließlich Emilie und J, glotzten aus den bodenlangen Fenstern des Schulungsraumes und sahen mich, die ich doch vorhin noch so schrecklich geheult hatte, lächelnd im kleinen Schwarzen in diesen Flitzer einsteigen, während mir ein äußerst attraktiver Mann galant die Autotür aufhielt.
Was soll ich sagen? Er war klasse. Er war hübsch. Er hatte Charme. Er konnte was. Er strebte seiner Professur entgegen. Er liebte Klassik. Er war genau die Sorte Mann, die mir jede Menge Minderwertigkeitskomplexe bescherte. Hatte ich nicht schon erwähnt, masochistisch veranlagt zu sein?
Was für ein wunderbarer Abend! Angeregt unterhielten wir uns über Gott und die Welt, nein, das ist so nicht ganz richtig: Er war der erste Mann in meinem Leben, der nicht nur wissen wollte, was ich machte, sondern wie ich es machte, warum ich es machte, was ich schön daran fand, welche Hobbys ich hatte und wie mein Leben verlief. Er fragte unglaublich gefühlvoll und sein Verhalten zeigte jede Sekunde echtes Interesse. Ich war begeistert von jeder Frage, hatte ich doch dieses Wissbegierde noch nie in meinem Leben – außer bei WOM – gespürt. Enthusiastisch schwärmte ich ihm von meinem Beruf vor, erzählte ihm von den Highlights... Kropp, Sabrina... Zehngold... oh, es tat so gut! Und er fragte nach! Er verbiss sich nicht ein Gähnen wie J und er sagte nicht „Na, so was“, wie meine Mutter. Er war wirklich und wahrhaftig interessiert. Umgekehrt fragte ich auch ihn nach seinem Hintergrund und er antwortete genauso bereitwillig, wie er Fragen stellte.
Nach dem Abendessen in einem schnucklig-edlen Restaurant waren wir von Bar zu Bar gezogen, bis die Gehsteige endgültig hochgeklappt wurden. Es war drei Uhr morgens und ich war fit wie ein Turnschuh. Das hier war so schön, so echt und so unkompliziert! Der schönste Abend, den ich je mit einem Mann verbracht hatte und das sagte ich ihm auch. Mit leuchtenden Augen blickte ich zu ihm hoch und strahlte ihn an:
„Danke für diese wunderbaren Stunden! Das war ... zauberhaft mit dir! Du bist toll! Danke! Ich habe jede Sekunde genossen!“
Er lachte leise. „Meine Güte“, antwortete er und strich mit dem Finger über meine Wange. „Deine Augen sind der Renner. Ich habe kaum jemanden gesehen in meinen Leben, der solch strahlende Augen hat wie du“.
Und als ich rot wurde, lachte er zärtlich... zum Dahinschmelzen zärtlich... und fuhr fort:
„...und noch keine Frau getroffen, die zugibt, dass ihr der erste Abend restlos gefallen hat“.
„Warum sollte ich das denn nicht sagen?“
„Naja, es gibt doch diese Dating – Regeln... nie am ersten Abend schon...“.
„Geh mir weg mit diesem amerikanischen Technik-Krampf“, sagte ich. „Du hast ja hoffentlich keinen Date-Doktor engagiert?“
„Nein... hab ich nicht. Die Vielbeschäftigte hast du nicht gespielt, obwohl du vielbeschäftigt bist“.
„Wie dem auch sei“, gähnte ich. „Jetzt bin ich müde und geh ins Bett. Ach – und noch was – dein Auto ist klasse! So eine wunderschöne Form! Ein toller Wagen!“
„Interessierst du dich für so was?“
„Kein Stück – aber ich finde dein Auto trotzdem schön!“
„Hast du Lust, meinen anderen zu sehen?“
„Oh, du bist Autofan?“
„Ist fast jeder Mann, liegt wohl an unserem Spieltrieb“.
„Was fährst du denn noch?“
„Den fahre ich noch gar nicht, ich restauriere ihn... ein
Weitere Kostenlose Bücher