Tropfen im Ozean
so zu stehen, wie ein Fels in der Brandung, mit dem schweren Teil auf der Schulter, gegen Rempler immun zu sein, die Linse immer stur auf das Objekt gerichtet zu lassen.
Und der Wagen stand. Nichts passierte. Jimmi schaltete record ein und aus. Nach geschlagenen 20 Minuten war er kurz davor, die Kamera doch herunter zu nehmen, als endlich etwas in Gang kam.
Hektisch betätigte er den roten Aufnahmeknopf, ich checkte meine kleine Handkamera und drückte vor Aufregung ebenso, obwohl ich doch nicht filmen musste, wenn Jimmi es tat. Bewegung am Wagen. Die Fahrertür öffnete sich. Der Chauffeur stieg aus. Ein älterer Herr in rotgoldener Livree, Mütze und Lackschuhen. Mir fiel auf: Er war rot im Gesicht, als habe er getrunken und er wirkte ... ja, irgendwie empört. Vielleicht der Blutdruck? Unnütze Gedanken schossen mir durch den Kopf.
„Meine Fresse“, murmelte Jimmi. „Das volle Programm, wegen nem C-Promi... ich fass es nicht“.
Dann öffnete der Chauffeur den hinteren Schlag, stellte sich fachgerecht an die Tür und wartete. Wieder passierte nichts. Fünf Minuten lang nicht. Eine Spannung zum Zerreißen hatte sich aufgebaut. Das Gemurmel und die Rufe aus der Menge wurde immer lauter und die Polizei drängte die Passanten zurück, die sich um das Auto drängelten.
„Ist sie ein Schauspieler oder ein berühmter Schriftsteller?“ blödelte Jimmi in sein Mikro. „Nominiert für den Nobelpreis? Nein, sie ist lediglich jemand, der eine eigene Sendung bekommt wie viele vor und nach ihr. Aber genau das ist wohl das große Ereignis an der Sache: Was wird jemand wie sie, die doch nichts vorzuweisen hat außer Skandälchen und grellen Outfits, in einer Sendung zu sagen haben?“
Er sprach mir aus der Seele.
Dann endlich, Bewegung an der Tür –E!Liza stieg aus. Ein Raunen lief über den mittlerweile gut gefüllten Platz. Sie trug eine Robe, die selbst am Hofe Ludwig des XIV. Furore gemacht hätte. Ein Traum aus Silber und Gold, fließendem Gaze-Stoff, einer Unmenge an Unterröcken, deren Spitzen wie feingesponnenes, ziseliertes Silber am Saum hervorglänzten und bei jedem Schritt, den sie tat, das Sonnenlicht reflektierten. Das Dekolleté war äußerst gewagt, der Stoff bedeckte so knapp die Brustwarzen, dass jeder Schritt die Offenbarung der bloßen Brüste verhieß. E!Liza blieb nach einigen Metern stehen und zog aus dem Ausschnitt dieselben Spitzen hervor, die auch den Unterrock säumten. Nun sah es edel aus, die feinen Ornamente umschmeichelten ihre füllige, durch das Mieder nach oben gedrückte Brust. Das Korsett bescherte ihr eine unglaublich schmale Taille, zusätzlich betont durch das in eine Spitze auslaufende Vorderteil, das auf Höhe des Unterleibs endete. Überhaupt war das Oberteil ein Traum für sich. Ein U-Boot-Ausschnitt, dessen mit Strass-Steinen übersäte Ärmel als Steg über den Oberarm liefen und die in der Sonne glitzerten und funkelten. Am Handgelenk klimperten unzählige feine Reifen aus Gold und Silber, am Mittelfinger der linken Hand saß ein überdimensionaler Ring. Und sie wäre nicht E!Liza hätte sie nicht doch aufreizende Details am Kleid: Das Rückenteil war mit überkreuzt gefassten, Seidenbändern gehalten, die etwa zehn Zentimeter auseinanderstanden und die sich verführerisch bis zum Po-Ansatz schlängelten. Und ihr Gesicht? Das war verdeckt von einer Strass-verzierten, schwarzen Maske. Lediglich ihr schöner, voller Mund war zu sehen. Das blonde Haar trug sie offen, ich konnte nicht sagen, ob es eine Perücke war. Wer konnte das bei ihr und in dieser Branche schon wissen? Wahrscheinlich kannte sie selbst ihre eigene Haarfarbe nicht mehr.
Doch insgesamt bot sie einen atemberaubenden Anblick. In der Hand trug sie stilgerecht einen großen Fächer, der die Farben ihres Kleides wiedergab, während der Chauffeur neben ihr einen grazilen Spitzenschirm über sie hielt. Langsam setzte sie einen Schritt vor den anderen, von gaffenden Passanten angestiert, den gierigen Kameras entgegen. Die Presse war begeistert – das war mal wieder ein Auftritt, der sich lohnte, gefilmt zu werden!
„Auf E!Liza ist einfach Verlass“, hörte ich jemanden sagen. „Sie verspricht uns eine Show und hält sich dran. Klasse Mädchen“.
„E!Liza!“ schrien schon die ersten. „Mit welchem Sender werden Sie zusammenarbeiten?“
„Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?“
„Was wird das Thema Ihrer Sendung sein?“
„Wie geht es Ihren Eltern? Haben Sie sie besucht?“
Sie gab keine
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