Tropfen im Ozean
meinen Auftraggeber. Vermutlich bin ich dann hinterher meinen Job los“.
Als ich diese an sich logische Konsequenz formulierte, zum ersten Mal zu Ende gedacht, wurde mir heiß und ich verstummte. Bisher hatte ich nie weiter als bis zum E!Liza-Film geplant.
„Warum tun Sie es dann?“ hörte ich Hänsler verwirrt fragen.
„Weiß nicht“, murmelte ich und blickte ihm dann in die Augen. „Ich kann nicht anders. Auch, wenn es so aussieht, als ob es die größte Dummheit in meinem Leben ist, kann ich nicht anders, weil es nicht richtig wäre, den Auftrag so zu erledigen, wie ich ihn bekommen habe“.
Ein Schauer der Hoffnung flutete den alten Mann nach meinen Worten, erreichte seine Augen, machte sie klarer. „Heißt das, Sie arbeiten bereits an einer Gegendarstellung?“ flüsterte er heiser. „ Für meine E!Liza?“
Ich nickte. Er sackte in sich zusammen.
„Gott segne Sie“, wisperte er und dann liefen ihm tatsächlich Tränen über die Wangen. Nicht einzelne, sondern richtig viele. Mir tat das Herz weh, als ich ihn so sah. Welche Geschichte steckte hinter dieser Familie? Es war nichts so, wie es schien, nichts so, wie unser kleines, wertendes Ego es annahm und einmal mehr nahm ich mir vor, Menschen nicht mehr zu verurteilen.
„Hören Sie“, sagte er, während er umständlich mit einem Stoff-Taschentuch seine Augen tupfte und sich dann die Nase putzte. „Ich werde Ihnen nicht alles erzählen, das... das kann ich meiner Frau nicht antun... aber ich werde einen wichtigen Teil erzählen“.
„Ich bin froh über alles – aber wenn Sie das tun wollen... dann muss ich das aufnehmen... entweder heute oder ein andermal. Sind Sie bereit dazu?“.
„Machen Sie es gleich“, sagte er und tat einen tiefen Atemzug. „Bevor ich’s mir anders überlege. Gott, hoffentlich mach ich keine Dummheit... ich hab in meinem Leben schon so viel falsch gemacht... aber ich vertraue Ihnen, hören Sie? Ich vertraue Ihnen!“
Es klang wie eine Beschwörung.
„Und noch was...“, wagte ich mich vor. „Machen Sie sich bewusst, wenn wir E!Lizas Geschichte erzählen... und Ihre, dann wird das, was Sie jetzt sagen, vor einem Millionenpublikum ausgestrahlt, so Gott will“.
„So Gott will?“
„Naja, ich muss den Sender dazu bringen, das zu veröffentlichen... und mein Chef hat einen Skandalfilm versprochen“.
Herr Hänsler schluckte merklich.
„Und wenn es nicht gelingt?“ fragte er.
„Dann gibt es gar keinen Film – das ist schon mal besser als ein weiterer Skandal!“
„Aber es gibt auch keine Sendung für Elisabeth“.
„Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, von welchen Faktoren das abhängt“.
Unglücklich nickte er und presste die Lippen zusammen. Ich hätte ihm so gern Positiveres gesagt.
„Ähm... Ich stelle Ihnen jetzt unseren Kameramann vor, dann können Sie ja sagen, ob Sie ihm vertrauen mögen oder nicht“.
Wieder schloss er die Augen. „Gehen Sie“, sagte er wacklig und deutlich schwankend. „Holen Sie den Mann“.
Ich stand auf, rannte in Robs Studio, zerrte ihn vom Monitor weg, ließ ihn in Affengeschwindigkeit zwei Stative und zwei Kameras holen und betete, dass Herr Hänsler noch da sein würde, wenn ich zurück kam. Er war noch da. Übernervös.
„Das ist Rob“, stellte ich vor. „unser...“
„Das ist ja ein Schuljunge!“ entfuhr es ihm und wir lachten. Als Herr Hänsler sich bei Rob entschuldigte, sagte der gleichmütig:
„Ach wo, das passiert mir dauernd... Wie geht es E!Liza? Sie haben eine tolle Tochter! Einfallsreich und kreativ... ein echter Leuchtpunkt unter all den nichtssagenden Sternchen am Boulevard-Himmel!“
Herrn Hänslers Augen strahlten und sein Mund lächelte zum ersten Mal.
Rob ließ dann auch gleich einen Witz vom Stapel: „Kennen Sie den?“ fragte er. „Treffen sich ein Stein und ein Brett. Sagt der Stein: ‚Hallo, ich bin ein Stein’. Sagt das Brett: ‚Alter, wenn du Einstein bist, bin ich Brett Pitt“. Hänsler kicherte nur leicht, er fand den Witz wohl nicht so gut, aber war durch Robs ungezwungene Ausstrahlung viel gelöster.
„Willst du mit ins Bild?“ fragte mich Rob.
„Nein“, sagte ich. „Herr Hänsler ist wichtig, niemand sonst“.
Wir gaben ihm nicht die üblichen Instruktionen... in die Kamera schauen, mit der Kamera sprechen... das hier sollte echt sein. Rob platzierte mich im toten Winkel, stellte die Kamera aufs Stativ und operierte mit seiner Handkamera. Er würde traumhafte Aufnahmen machen, dessen war ich mir
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