Tropfen im Ozean
sicher.
„Welche Art von Sendung wollte Elisabeth machen?“ begann ich das Interview.
„Der Arbeitstitel war „Good deeds“ oder „Believe“, so was in der Richtung... Es sollte eine Sendung über die schönen Dinge in der Welt werden. Elisabeth hat sich viel mit solchen Dingen beschäftigt, mit positivem Denken, Gehirnforschung, dem Einfluss von Gefühlen auf Menschen... und gesagt, dass Menschen viel zu sehr durch Skandale und Katastrophen beeinflusst werden. Sie wollte einen Gegenpol setzen. Sie war schon immer ein Weltverbesserer – und sie liebt diesen Film „Das Glücksprinzip 9 “, in dem ein kleiner Junge eine Art Kettensystem für gute Taten ersinnt...“ er stockte kurz, seine Stimme begann leicht zu zittern, als er fortfuhr: „... und da ist auch ein Lehrer, der schreckliche Verbrennungen am ganzen Körper hat... und der den kleinen Jungen ermuntert, sein System auszuprobieren... es ist ein traurig-schöner Film. Elisabeth hat immer gesagt, wenn es die Möglichkeit gäbe, den Menschen gute Vorbilder zu geben, statt der Gewalt, die im Fernsehen läuft und dem Sex und den Waffen und dem Blut oder diesen unsäglichen Banalitäten... dann wäre das eine Chance auf eine bessere Welt...“
„Aber E!Liza treibt sich in der Glamour-Welt herum, genau da, wo diese Werte nicht zählen!“ sagte ich aufgewühlt durch diesen Einstieg. „Wo es um gutes Aussehen, Image, Ruhm, um ebendiese Banalitäten geht... und gerade auch um Sex!“
„Ja... das hat sie... das hat sie...“ der Mann brach ab, wurde rot. Eine Pause entstand - dann holte er tief Luft. „Das hat sie meinetwegen gemacht“, flüsterte er und ich sah, wie Rob auf sein Gesicht zoomte und die Träne einfing, die die runzlige Wange hinunter lief, die unglücklichen Augen, das Zittern der Mundwinkel, den gesenkten Kopf.
„Meinetwegen“, wiederholte Hänsler leise. „Weil ich Schulden hatte... ich habe ein Unternehmen, es ist nun sehr klein... aber früher... früher war ich... erfolgreich... und ich wollte mehr und mehr ...hab mich vergalloppiert. War blauäugig. Hab an gar nichts weiter gedacht als an Profit, hab die Steuern vergessen, die Rücklagen, hab nichts zur Seite gelegt... alles verschleudert... es gab eine Zeit, da lebten wir in Saus und Braus, meine Frau und ich und unsere Töchter...“
Julia. Zum ersten Mal hörte ich ihn davon reden, dass E!Liza eine Schwester hatte. Aber ich unterbrach ihn nicht.
„Wie gesagt... wir lebten im Überfluss, ich baute das Haus, kaufte Autos, investierte, spekulierte, wir verbrachten teure Urlaube... ich nahm Kredite auf, die mir die Bank bereitwillig gab, stellte Leute ein... alles wurde größer und größer und ich dachte, ich wäre unangreifbar. Ich kam in Kontakt mit dieser Glitterwelt, und nahm meine Familie auf die Partys mit. Wir hatten eine Eintrittskarte dorthin... ich sah noch mehr Chancen, die Leute machten mir Versprechungen bezüglich möglicher Aufträge und ich investierte in Maschinen, von denen ich meinte, dass ich sie brauchen würde“.
Kopfschüttelnd fuhr er sich mit der Hand über das Haar, die Sorgen von damals fest eingestanzt als Furchen in seinem Gesicht.
„... und dann brach auf einmal alles zusammen... die ersehnten Auftrage kamen nie – im Gegenteil, ich verlor einen Großkunden und dann noch einen. Ich bekam keine Kredite mehr, dann hatte meine Frau einen Unfall und musste ins Krankenhaus. Die Bank hatte aber die Beiträge zur privaten Krankenkasse nicht überwiesen, sodass wir die schwierige OP selbst zahlen mussten und danach kam alles Schlag auf Schlag: Das Finanzamt verlangte eine längst fällige Steuersumme, ich konnte die Raten fürs Haus nicht mehr zahlen und genau in dieser Situation kündigten mir die Banken alle Kredite. Sie glauben gar nicht, in welch tiefes Loch ich fiel, als sich alle abwandten, die ich um Hilfe bat, wie schnell ich vergessen war. Ich dachte, ich werde wahnsinnig. Und als ich der Meinung war, schlimmer kann es nicht mehr kommen, kam eine... eine... persönliche Katastrophe dazu... das hat mich endgültig zerstört. Ich konnte nicht mehr. Konnte einfach nicht mehr“.
Ich runzelte die Stirn. Mir war nichts von einem Insolvenz – oder Konkursverfahren bekannt, nirgendwo war etwas davon gestanden. Das sagte ich ihm auch.
„Ja“, erwiderte Herr Hänsler. „Ich bin auch nicht in die Insolvenz gegangen. ... meine Frau war außer sich, als sie hörte, dass das der letzte Ausweg sein sollte. Damals war das noch die totale
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