Tropfen im Ozean
ich abgehakt. Das spürte ich so deutlich, als hätte er es mir ins Gesicht gesagt. J betätigte sich währenddessen als der Verkäufer unterm Herrn, versprach dem Künstler alles Mögliche und Unmögliche, schmierte ihm Honig um den Bart und war dabei so enthusiastisch wie eh und je.
Das Ende vom Lied war, dass ich bis tief in die Nacht Material sichtete, sortierte und beschriftete, alles in eine Kiste packte, eine Liste anfertigen und mich schriftlich verpflichten musste, sämtliche Gegenstände wieder unversehrt zurückzugeben.
J hatte inzwischen den Vertrag ausgehandelt, in einer Bar Cocktails geschlürft (es macht dir doch nichts aus, oder? Du kannst ja eh nicht mit), in der Bahnhofsstraße kräftig eingekauft (eine Aktentasche von La Bottega für schlappe 8000 Schweizer Franken), hatte mich wieder abgeholt und saß nun selbstzufrieden im Auto.
Ich war fix und alle und langsam kroch die mühsam unterdrückte Enttäuschung nach oben. Verstockt schwieg ich ihn an und antwortete nur einsilbig auf seine Fragen.
„Bist du nicht hungrig?“ fragte ich ihn schließlich, in der Hoffnung auf ein spätes, gemütliches Abendessen.
„Ach, nö, ich war im Dolder Grand, ja siehst, fast hätt’ ich’s vergessen - ich hab an dich gedacht!“ sagte er, während er mir eine braune Papiertüte von McDonalds und eine Viertelliter-Flasche Rotwein von der Tankstelle überreichte. Die Cheeseburger waren kalt und zäh, ich aß sie trotzdem und spülte sie frustriert mit dem Fusel-Rotwein runter. Der Alkohol gab mir den Rest. Selbst zum Denken war ich zu müde, ich wollte nur nach Hause und in welcher Gemütsverfassung ich sein würde, wenn ich allein war, darüber wollte ich schon gar nicht nachdenken.
J schien überhaupt nichts zu spannen. Aufgekratzt wegen des erneuten Vertrags trommelte er den Takt eines Liedes auf dem Lenkrad mit. Doch nach einiger Zeit wurde auch er ruhiger. Die Tatsache, dass er kein Wort über die Sache verlor, machte mich zusätzlich wütend und so saß ich in einer Mischung aus Zorn und Unsicherheit neben ihm. Schließlich wurde er ganz still. Merkte er endlich, was da heute abgelaufen war? Nachdem wir etwa ein Drittel der Strecke gefahren waren, öffnete er endlich den Mund.
„Hör mal“, sagte er. „Eigentlich könntest du den Rest nach Hause fahren. Ich hab ja immerhin schon die Hinreise übernommen und bin ordentlich müde.“
Mir fiel der Unterkiefer nach unten. Doch mit zusammengebissenen Kiefern stieg ich aus, setzte mich auf den Fahrersitz, während J die Lehne auf Anschlag zurück fuhr, sich wohlig räkelte und es sich im engen Porsche so gut wie möglich bequem machte. Ich kaufte mir im nächsten McCafè einen XL Kaffee, dann trat ich wütend das Gaspedal durch und starrte durch die Windschutzscheibe. Was hätte ich auch sonst tun sollen.
***
Wir gabelten eine professionelle Visagistin auf, die schon etliche Pros geschminkt hatte. Der einzige Nachteil war, dass ihr Honorar ebenfalls professionell war und J stellte sich quer.
„Die ist zu teuer“, erklärte er mir und sah mich mit hochgezogenen Brauen an.
„Aber sie ist perfekt und sie hat einen super Ruf! Stell dir vor, du kannst deinem Kunden sagen, sie hat schon Cameron Diaz geschminkt – und ich kann mit Ella reden – sie weiß, dass sie hier keine Hollywoodpreise verlangen kann...“
„Mann – welche Kunden haben wir denn? Beyonce? Oder Rihanna? Ja, dann wäre so eine sinnvoll, aber solange wir Gretchen Lockenwickler aus Kleinsiehstenicht haben, ist das indiskutabel. Die können und wollen das nicht bezahlen. Und die Firmenchefs müssen nicht geschminkt werden. Ich will was Einfacheres“.
„Wenn es nur um ein bisschen Puder geht, brauchen wir gar niemanden“, konterte ich. „Das können wir dann selbst machen“.
„Nein, das wirkt amateurhaft, wenn der Regisseur das macht“.
„Dann geht halt Susann mal mit oder Gerda – ein bisschen Puder auf die Nase kann ja nicht so schwer sein!“ sagte ich und Wut schlug durch meine Stimme. Ich hatte diesen „nur du und ich-Tag“ noch immer nicht verkraftet. Was der an Selbstbewusstsein wegfraß, fand ich an meinem Bauch und meinem Hintern wieder – sie waren deutlich gewachsen vor lauter Frust-Essen. Denn zum Abschluss des Tages hatte J es tatsächlich geschafft, noch eins drauf zu setzen:
Als ich den Wagen mit quietschenden Bremsen vor meinem Zuhause abgestellt hatte, war er aufgewacht und hatte sich zu mir umgedreht.
Ich hangelte nach meiner Jacke auf
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