Tropfen im Ozean
gab einige Herausforderungen mit den Krone-Managern, wir mussten etliche Male zu Besprechungen vor Ort sein und über Tausende von Kilometern für die Besichtigung der Drehorte fahren. Rob hatte rasante Ideen für seine Aufnahmen entwickelt, die wir nun durchzusetzen hofften. Nach wie vor hatte ich beim CEO und bei Herrn Zehngold einen Stein im Brett und J war froh, bei keiner Verhandlung mehr dabei sein zu müssen.
„Mann, Mann, Mann“, sagte er dauernd, als es auf die Drehtage zuging. „Das musst du hinkriegen – um jeden Preis - das muss super werden... der Film ist unser Sprungbrett... da darf nix schiefgehen... häng dich rein, mein Mädel... ich vertrau dir... du machst das schon...“
Er war so aufmerksam und lieb. Jeden Tag lagen kleine Zettel auf meinem Schreibtisch, Leckereien, die ich tapfer in die Schublade stopfte, Blumen und einmal sogar ein Gutschein über eine halbstündige mobile Massage.
Meine Läufe und Gerdas Essen, auf das ich mich beschränkte, zeigten endlich Wirkung – körperlich und auch sonst, denn die Bewegung in der Natur schenkte mir neben einer durchbluteten Haut auch tausend zusätzliche Inspirationen und Ideen.
Ich hatte keine Sekunde Zeit, mich um Emilie und ihre Sorgen zu kümmern. Sie war wieder zu ihrem Macker zurückgekehrt, weil sie bei meinen Eltern dann doch nicht hatte wohnen wollen und mir war alles Recht – ich musste mich jetzt auf andere Sachen konzentrieren. Ach ja, und der Termin beim Dermatologen... der plastischen Chirurgie... der war auch noch dazwischen.
***
„Was kann ich für Sie tun?“ fragte er und die Frage klang so, wie sie klingen musste: Er kannte die Antwort. Wie hätte sie auch lauten sollen? Frau, Mitte dreißig, ein Dermatologe mit dem Fachgebiet „Ästhetische Chirurgie“… ich kam mir jetzt schon doof vor.
„Ich interessiere mich für eine Botox-Behandlung“, sagte ich dennoch tapfer und blickte ihm in die Augen. Blaugrau. Ein Drei-Tage-Bart. Und überhaupt. Wilde Locken umrahmten ein freundliches Gesicht. Ein sehr freundliches Gesicht. Volle Lippen. Die sahen unverschämt weich aus. Um die Augen hatte er leichte Lachfältchen, die ihn sehr sympathisch machten… und mich an meine eigenen erinnerten. Mich daran erinnerten, wie sympathisch Lachfältchen wirkten. Aber ich hatte ja keine Lachfältchen, bei mir waren es Krähenfüße! Etwas, das weg musste, etwas, was bei Emilie ja auch gänzlich fehlte. Meinem Beruf entsprechend scannte ich ihn weiter ab: Kräftiger Typ, ein kleiner Bauch. Instinktiv war ich froh, dass er nicht einem dieser verdammten Sixpack-Selbstverliebten entsprach, das hätte mich wohl vollends frustriert: Ein plastischer Chirurg, der so gut aussah, dass er selbst kein Messer brauchte. Er wirkte schlank, gleichzeitig aber auch bärig mit seiner breiten Brust. Mein Blick ging wieder zurück zu seinem Gesicht... er hatte wirklich das sympathischste Gesicht der Welt. Leicht benommen starrte ich ihn an und hörte ihn sagen:
„Meso-endomorph, falls es Sie interessiert“.
„Bitte?“
„Ich bin ein Meso-Endomorph-Typ“. Und auf meinen verständnislosen Blick: „Weil Sie mich so taxiert haben“.
„Ach!“ rief ich und musste kichern. „Das tut mir leid, das ...ist eine schlechte Angewohnheit von mir... tut mir leid... ich...“
Er drehte sich auf seinem Stuhl etwas von mir weg. Oops, war er sauer? So schnell?
„Die Zornesfalte?“ fragte er.
„Äh… nein… die ist ja bei mir nicht so ausgeprägt“, antwortete ich und hoffte, dass er das auch fand. „Ich wollte die Krähenfüße behandelt haben.“
„Die Krähenfüße, aha“. Kurze Pause. Dann, völlig unzusammenhängend: „Was machen Sie beruflich?“
Was hatte mein Beruf mit der Behandlung zu tun? Warum fragt er nicht, wie alt ich bin? Bei meiner Erklärung, dass ich Werbe- und Imagefilme produzierte, wirkte er leicht überrascht. Hatte er gedacht, ich sei eine überkandidelte Hausfrau? Wirkte ich so? Tausend blöde Gedanken jagten mir durch den Kopf, während er auf einen Handspiegel deutete, der auf seinem Schreibtisch lag:
„Lachen Sie mal da rein und zeigen Sie mir, was genau Sie stört.“
Ich nahm das Teil und grinste unecht. Mein Gott, sah das blöd aus! Wie soll man auch natürlich lachen, wenn einen jemand mit Argusaugen dabei anglotzt? Und wenn sie noch so nett und blaugrau sind? Ich sah mein verklemmtes Lachen im Spiegel, die noch grauenhafteren Krähenfüße, und deutete darauf.
„Das sollte unterbunden werden, bevor
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