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Tropismen

Tropismen

Titel: Tropismen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Sarraute
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ihrer instinktiven, unfehlbaren und zuverlässigen Weise bediente, für den Sieg, bis zur Vernichtung.
    Lebte man neben ihr, war man ein Gefangener der Dinge, ein mit ihnen beladener, kriechender Sklave, schwer und traurig, ununterbrochen umlauert, von ihnen gehetzt.
    Die Dinge. Die Gegenstände. Das Läuten. Die Dinge, die man nicht vernachlässigen durfe. Die Leute, die man nicht warten lassen durfe. Sie bediente sich ihrer wie einer Meute von Hunden, die sie in jedem Augenblick auf die anderen hetzte: »Man läutet! Man läutet! Beeilen Sie sich, schnell, schnell, man wartet auf Sie.« Selbst wenn sie in ihren Zimmern verborgen, eingeschlossen waren, ließ sie sie aufspringen: »Man ruf Sie. Hören Sie denn nicht? Das Telephon. Die Tür. Da ist ein Lufzug. Sie haben die Tür nicht zugemacht, die Eingangstür!« Eine Tür hatte geschlagen. Ein Fenster hatte gewackelt. Ein Lufzug war durchs Zimmer gegangen. Man mußte sich beeilen, schnell, schnell, herumgezerrt, herumgestoßen, ängstlich, alles sein lassen und sich überstürzen, dienstbereit.

VII

    Namentlich nicht vor ihm, nicht vor ihm, später, wenn er nicht da ist, aber nicht jetzt. Es wäre zu gefährlich, zu schamlos, vor ihm davon zu sprechen.
    Sie paßte auf, kam dazwischen, damit er nicht hörte, redete selbst ununterbrochen, suchte ihn zu zerstreuen: »Die Krise … und diese Arbeitslosigkeit, die zunehmen wird. Ganz gewiß, ihm erscheint das selbstverständlich, weil er diese Dinge so gut kennt … Sie wußte nicht … Man hatte ihr doch erzählt … Aber er hatte recht, wenn man nachdachte, wurde alles so klar, so einfach … Es war merkwürdig, herzzerreißend, die Naivität so vieler braver Leute zu sehen.« Alles ging gut. Er schien zufrieden. Mit nachsichtigem Ausdruck, seiner sicher, erklärte er, trank gleichzeitig seinen Tee und ließ manchmal, indem er die Wange faltete und, die Zunge seitlich gegen die Zähne pressend, einen Speiserest entfernte, ein eigentümliches Geräusch vernehmen, eine Art Zischen, das bei ihm immer einen Unterton von Genugtuung, von Sorglosigkeit hatte.
    Aber trotz der Anstrengungen, die sie machte,
    entstand manchmal eine Stille. Irgend jemand wandte sich an sie und fragte, ob sie sich die Van Goghs angesehen habe.
    »Ja, ja, natürlich, sie ist in die Ausstellung gegangen (es war nichts, er durfe nicht aufmerksam werden, es war nichts, mit einer Handbewegung werde sie das alles abtun), sie war an einem jener Sonntagnachmittage hingegangen, an denen man nie etwas anzufangen wußte. Natürlich, es war sehr schön.«
    Genug, genug jetzt, man mußte aufören, diese Leute spürten doch gar nichts, sie sahen gar nicht, daß er da war, daß er horchte. Sie hatte Angst … Aber sie kümmerten sich nicht darum, sie sprachen weiter.
    Nun denn, wenn sie darauf bestanden, sie konnte sie nicht zurückhalten – mögen sie sie doch kommen lassen. Um so schlimmer für sie, wenn sie für einen Augenblick eintraten, Van Gogh, Utrillo oder ein anderer. Sie würde sich vor sie stellen, würde versuchen, sie ein wenig zu verdecken, damit sie nicht zu weit vordrängen, so wenig wie möglich, hier, langsam, sie sollten gelehrig an der Seite gehen, die Mauer entlang. Da, da, es war nichts, er konnte sie ruhig betrachten: Utrillo war betrunken, er verließ soeben Sainte-Anne, und van Gogh … Ach! sie wettete tausend gegen eins, daß er nie erraten würde, was van Gogh in diesem Papier haben könnte. Er hatte in diesem Papier … sein abgeschnittenes Ohr! »Der Mann mit dem abgeschnittenen Ohr«, ganz gewiß, er kannte das? Man sah es jetzt überall. Nun also. Das war alles. Er war nicht böse? Nein, er erhob sich nicht, er stieß sie nicht roh zurück – und er ging auf diese da nicht los, mit fliehendem, verlegenem Blick, mit boshafer, scheußlich aufgeworfener Lippe?
    Nein, nein, sie hatte unrecht, wenn sie sich beunruhigte. Er verstand sehr gut. Er war nachsichtig, belustigt. Er faltete die Wange und ließ sein leises Zischen hören, und am Grund seiner Augen sah man immer noch diesen fröhlichen Widerschein, diesen Glanz, der ein gleichmäßiges Gefühl von Sicherheit ausdrückte, von milder Sorglosigkeit, von Zufriedenheit.

VIII

    Wenn er mit unverdorbenen und jungen, mit unschuldigen Wesen umging, empfand er das schmerzliche, unwiderstehliche Bedürfnis, sie mit seinen ruhelosen Fingern zu bearbeiten, sie zu betasten, sie möglichst in seine Nähe zu bringen, sie sich anzueignen.
    Ging er einmal mit einem von ihnen aus, nahm er es

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