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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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hat. Es ist eine Art Obsession.«
    »Vier Dimensionen?«, fragt sie. Dann stöhnt sie. »Los, sag mir schon, was ich übersehen habe. Ich weiß Kunst nie so richtig zu schätzen. Ich denke nur: Das ist ein hübsches Bild, und dann hänge ich es mir an die Wand. So geht es einer Biologin nun mal. Man braucht Geisteswissenschaftler, damit sie einem das wirkliche Leben erklären.«
    Ich lache, und nachdem ich Heather versichert habe, dass ich mich nur ein bisschen bei den Kubisten und den Futuristen auskenne und sonst nicht viel von bildender Kunst verstehe, spreche ich darüber, dass man behaupten könnte, dass der Kopf der Frau sich durch die Zeit bewege oder dass ein vierdimensionales Wesen sie betrachte.
    »Mann. Das ist vielleicht cool. Mir gefällt ›Der Schrei‹ am besten. Aber ich dachte, es wäre ein bisschen zu studentenmäßig, das Bild an meiner Wand hängen zu haben, also habe ich mir etwas geholt, was ein bisschen anspruchsvoller ist. Aber ich liebe den ›Schrei‹ sehr. An den meisten Tagen fühle ich mich so.«
    »Warum?«
    »Oh, ähm …« Es klopft an der Tür. »Das ist hoffentlich Adam und nicht irgendein Massenmörder.« Sie lacht. »Einen Moment.«
    Aus unerfindlichen Gründen fangen meine Hände an zu zittern. Ich stelle mein Weinglas hin, nehme es aber gleich wieder in die Hand. Ein heftiger kalter Luftzug entsteht, als Heather die Tür öffnet und Adam begrüßt. Er sieht genauso aus wie vorher, mit dem einzigen Unterschied, dass seine Haare einen noch verwahrlosteren Eindruck machen.
    »Hi«, sagt er zu mir, während er den Mantel auszieht.
    »Hallo«, erwidere ich.
    Heather sagt ihm, er solle den Mantel irgendwohin legen, und wiederholt ihre Entschuldigung wegen »des Chaos« und geht dann in die Küche, um ihm ein Glas Weißwein zu holen. Wir starren einander an, ohne uns zu bewegen oder irgendwas zu sagen.
    »Also«, sagt sie, als sie zurückkommt. »Es gibt Pasta und gedünstetes Gemüse. Etwas ganz Einfaches – ich hoffe, das ist dir recht, Adam.«
    »Klar, danke«, sagt er und nimmt den Wein in Empfang, ohne den Blick von mir abzuwenden. Ich sehe ihm direkt in die Augen, aber diesmal unterbricht er den Blickkontakt und sieht Heather an. »Das klingt perfekt.«
    Adam lässt sich in einer Ecke der großen Couch nieder, auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers. Ohne eine von uns beiden weiter zu beachten, beugt er sich vor und inspiziert die Bücher auf dem Couchtisch. Sobald er sie sich alle angesehen hat, nimmt er einen großen Bildband mit dem Titel »Kuriose Fische« und beginnt ihn durchzublättern. Ein paar Sekunden lang sagt niemand ein Wort. Heather muss ihre Musikanlage auf Shuffle eingestellt haben, denn sobald der Jazz aufhört, beginnt eine klagende akustische Gitarre zu spielen, und ein Typ singt davon, wie es ist, in den frühen Morgenstunden allein zu sein.
    »Ich setze besser mal die Nudeln auf«, sagt Heather.
    »Nun denn«, sagt Adam, sobald sie weg ist, »wie ist das Leben?«
    »Prima, denke ich. Wie ist es bei dir? Hast du dich schon eingelebt?«
    »Ja. Und vielen Dank dafür, dass du dein Büro mit uns teilst.«
    »Das ist okay. Wie ich Heather schon sagte, hatte ich nicht wirklich die Wahl.«
    »Aha. Richtig. Dann sind wir dir also aufgedrängt worden?«
    »Ja. Aber es macht mir gar nichts aus. Wirklich nicht.«
    Smalltalk, Smalltalk. Und jetzt ist er wieder dabei, das Buch auf seinem Schoß durchzublättern.
    Heather kommt zurück ins Zimmer.
    »Wie steht's denn mit der Welt der Religion?«, fragt sie ihn. »Wie ist das Leben mit Gott?«
    »Woher soll ich das wissen?«, fragt Adam.
    »Bist du nicht religiös?«, erwidert sie. »Ich dachte …«
    Adam lächelt. »Ich gebe dir die kurze Antwort: nein.«
    »Ach, komm schon«, sagt Heather. »Wie lautet die lange Antwort? – Oh!« Irgendetwas in der Küche hat gerade »ding« gemacht, und sie springt auf, um sich darum zu kümmern. »Tut mir leid – das sind die Nudeln, glaube ich.«
    Adam wirft mir einen Blick zu, als wären wir im Begriff, zusammen eine Bank zu überfallen. Er sieht außerdem so aus, als ob er es nicht wirklich will.
    »Gerettet«, sagt er.
    Ich lächle ihn an. »Trotzdem schade«, sage ich. »Ich hätte auch gern die ausführliche Version gehört.«
    »Oh …« Er seufzt und fährt sich mit den Fingern durch die Haare.
    »Hey – es ist nicht wichtig«, sage ich. »War nur ein Spaß. Du musst mir gar nichts erzählen.«
    »Ich würde mir lieber Fische ansehen, um ehrlich zu sein«, sagt

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