Troposphere
Rezept, oder so?«
Er schüttelt den Kopf. »Sie bezahlen für eine Beratung.« Er seufzt. »Welches Heilmittel wollten Sie haben?«
»Carbo vegetabilis«, sage ich und werde rot, als mir das ungewohnte Wort über die Lippen kommt.
»Wie bitte?«, fragt er.
»Carbo vegetabilis. Der Leichen-Wiederbeleber. So scheint man es wenigstens zu nennen. Ich habe es in einem anderen Geschäft gefunden, aber nicht in einer Potenz, die stark genug ist.«
»Der Leichen-Wiederbeleber? Wo haben Sie denn das her?«
»Oh, aus einem Buch«, sage ich.
So viel dazu, dass ich versuche so zu klingen, als wüsste ich, wovon ich rede.
»Nun ja, ich habe es in jeder Potenz bis hoch zu 10M«, sagt er.
»Ich will lM haben«, sage ich. »Die tausendste Potenz. Das stimmt doch, oder?«
Er runzelt die Stirn. »Sie wissen, dass höhere Potenzen gefährlich sein können, wenn man nicht weiß, wie man damit umzugehen hat.«
Ich sage nicht, was ich denke: Aber es ist doch nur Wasser.
»Ja«, sage ich. »Ich weiß Bescheid. Es ist okay.«
»In Ordnung«, erwidert er. »Aber ich muss Ihnen eine Art Beratung geben. Worin besteht denn Ihr Problem?« Er gähnt, während ich etwas von Kopfschmerzen erzähle. Er lässt mich eine Weile reden und öffnet, bevor ich fertig bin, eine der großen Schubladen und nimmt eine braune Flasche heraus.
»Ja, ja. Schon gut. Ich verschreibe Ihnen Carbo veg«, sagt er. »Das macht acht Pfund. Das ist für die Beratung. Das Heilmittel ist umsonst.«
»Danke«, sage ich und nehme die Flasche. Ich bezahle für die ›Beratung‹ und das Glasfläschchen. Dann gehe ich.
Kapitel elf
Irgendwie ist es schon achtzehn Uhr durch, als ich wieder in der Eiseskälte auf der Straße stehe. Das Licht der Autoscheinwerfer hängt traurig in dem dünnen Nebel, und die Menschen, die zu Fuß unterwegs sind, tragen dicke Mützen und Handschuhe und haben Aktentaschen oder ausgebeulte Plastiktüten mit Einkäufen oder beides dabei. Ich beschließe, nach Hause zu gehen und mir stattdessen das Weihwasser auf dem Weg zu Heather zu besorgen. Die Kathedrale liegt ohnehin auf dem Weg.
Wolfgangs Fahrrad steht im Flur, als ich nach Hause komme. Meine Hände sind halb erfroren, obwohl ich sie auf dem gesamten Rückweg in den Taschen zusammengeballt hatte, die eine um das leere Glasfläschchen, die andere um die Carbo vegetabilis. Als Erstes verstecke ich zu Hause das Heilmittel in einer alten Zuckerdose hinten in einem meiner Schränke; ich bin mir nicht ganz sicher, warum. Dann stelle ich das Glasfläschchen auf den Tisch und lasse warmes Wasser über meine Hände laufen, um das Kältegefühl loszuwerden. Ich setze Kaffee auf und gehe ins Bad. Ich versuche, mir die Haare zu bürsten, aber es sind zu viele Knoten drin, deswegen nehme ich sie mit einem Haarband zusammen. Ich betrachte mich im Spiegel und frage mich, wie üblich, in welchem Ausmaß ich verflucht bin. Der gesunde Menschenverstand behauptet, dass Flüche nicht existieren. Aber dann denke ich, dass ich mir später Lumas' Mixtur zubereiten, sie trinken und dann schon sehen werde, was passiert. Mein Spiegelbild scheint auf diesen Gedanken nicht zu reagieren, abgesehen davon, dass ich eine milde Enttäuschung in meinen Augen zu bemerken glaube. Wenn die Mixtur keinerlei Wirkung zeigen wird, was dann? Dann heißt es zurück ins wirkliche Leben und an die wirkliche Arbeit, ohne dass ich auch nur ein Büro für mich allein hätte. Ich lege noch etwas helles Puder auf mein ohnehin bleiches Gesicht und trage ein wenig blasspinkfarbenen Lippenstift auf. Ich denke nicht, dass ich mich nochmal umziehe. Die Jeans, die ich vorher anhatte, ist sauber, wenn auch etwas verwaschen und ausgefranst, und meine Pullover sehen ohnehin alle mehr oder weniger gleich aus.
Nachdem ich den Kaffee getrunken habe, gehe ich durch den Flur und klopfe an Wolfgangs Tür. Er öffnet mir beinahe sofort und bittet mich in seine Küche. Keiner von uns hat eine Einbauküche, nur ein paar Regale und Schränke. Wolfgangs Regale sind alle vollgepackt mit Nüssen, Körnern und Trockenfrüchten in durchsichtigen Tüten. In den Schränken ist nur Alkohol, und das ist der Grund, weshalb ich hier bin. Als ich reinkomme, fällt mir auf, dass die Küche sauberer riecht als üblich. Normalerweise stehen nur ein Resopaltisch und ein Stuhl darin, und immer wenn ich zum Essen herkomme, muss ich meinen eigenen Stuhl mitbringen. An diesem Abend sind jedoch zwei Stühle da, und mitten auf dem Tisch steht ein kleiner
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