Troposphere
mit den Häusern, floss vorwärts – ja – , aber auch rückwärts. Und daher habe ich beschlossen, pedetisch in die Nebel der Zeit davonzufliegen. So bin ich am Ende meiner Geschichte angekommen, denn an diesem Abend, um Mitternacht, habe ich vor, mich auf diese Reise in die Tiefen der Troposphäre selbst zu begeben. Ich bezweifle, dass ich je zurückkehren werde, um meine Geschichte zu vollenden – so weit werde ich von ihrem Anfang entfernt sein.
»Und was geschieht nun eigentlich mit Mr. Y?«, fragt Wolfgang. »In welchem Sinn begegnet er seinem Ende?«
»Oh, er verschwindet in die Troposphäre.«
»Was, in seinem Körper?«
»Nein.« Ich schüttele den Kopf. »Seinen Körper finden sie später.«
Wolfs Augen weiten sich. »Er stirbt?«
»Ja«, sage ich. »Es gibt eine ›Notiz des Herausgebers‹ am Ende, in der erklärt wird, wie die Leiche im Keller gefunden wurde. Er hatte sich eingeschlossen und seine letzte Reise von dort aus angetreten. Seine Frau dachte, er wäre verschwunden, und dann entdeckte sie die verschlossene Kellertür und alarmierte die Polizei. Er war verhungert.«
»Und der Autor dieses Buchs ist auch gestorben?«
»Ja.«
»Dann ist es ja gut, dass du diese Zutaten nicht hast, nicht wahr?«
»Hmmm.«
Nachts wirkt das Portal der Kathedrale manchmal wie ein offener Mund: ein Ausruf der Überraschung in einer Straße, die voll mit alten, windschiefen Häusern ist, wie Zähne, die über die Jahre mit immer wieder neuen Füllungen versehen wurden. Heute Nacht ist der Mund geschlossen. Das große Holzportal ist geschlossen, und es hängt ein Schild an ihm, auf dem die Besucher informiert werden, dass die Kirche morgen früh um halb neun ihre Pforten wieder öffnet.
Also kein Weihwasser heute Abend. Keine Pedesis.
Aber ich weiß, dass sie keine Realität ist, also schiebe ich vielleicht nur den Zeitpunkt hinaus, an dem ich es genau weiß. Schließlich hätte ich vorher zur Kathedrale gehen können. Also ist heute Abend wieder wirkliches Leben angesagt, aber wirkliches Leben mit einer Verheißung von etwas anderem, etwas Fiktionalem. Eine weitere Nacht dieser Art ist nicht schlecht, obwohl ich mir jetzt, wo ich das geschlossene Portal sehe, doch wünsche, ich hätte das Weihwasser: Ich wünschte, ich hätte später noch etwas Gefährliches zu unternehmen.
Ich gehe auf den vor Raureif glitzernden Bürgersteigen und benutze meinen neuen Stadtplan, um die Straße zu finden, in der Heather wohnt. Es stellt sich heraus, dass es sich um eine Seitenstraße direkt hinter der Kathedrale handelt: ein kleines, gelbgeklinkertes Reihenhaus mit einer schwarzen Tür. Ich klopfe zweimal mit dem silbernen Türklopfer und trete dann einen Schritt zurück, in der Erwartung, dass sie die Tür öffnet.
»Hallo, Ariel!«, sagt sie, als sie mich da stehen sieht. »Schön, dass du gekommen bist. Ist das Wein? Phantastisch – ich brauche so viel wie möglich nach dem heutigen Tag. Wie geht es dir? Oh, tut mir leid. Ich plaudere und plaudere, und du stehst in der Kälte. Komm rein.«
Wenn man eintritt, steht man direkt im Wohnzimmer. Es ist die Art Haus, die viele junge Akademiker zu haben scheinen, bevor sie heiraten und Kinder kriegen: Bodendielen aus Kiefernholz, Teppiche, viele Bücherregale, gerahmte Picasso-Drucke, über der Couch und den Sesseln Foulards in Herbstfarben, ein Couchtisch mit hübsch drapierten Bildbänden und mehrere Lampen. So würde meine Wohnung wahrscheinlich auch aussehen, wenn ich eine Heizung und keine Mäuse und Lust dazu hätte, mehr als ein Zimmer zu bewohnen. Ich rieche Knoblauch-Küchendüfte, die sich mit irgendwas aus einer Öllampe vermischen, einer Kombination aus Pfefferminz und Lavendel. Es ist warm. Aus zwei kleinen Lautsprechern spielt Jazz. Von Adam nichts zu sehen.
»Weißwein oder Rotwein?«, fragt Heather. »Oh, und mach es dir doch bequem. Leg deinen Mantel irgendwohin – es ist immer ein ziemlich heilloses Chaos hier drinnen.«
Warum sagen Leute immer, ihre Wohnungen wären chaotisch, wenn sie es gar nicht sind?
»Äh, Rotwein bitte. Du wohnst übrigens wunderschön. Diesen Druck finde ich toll.«
»Oh, er ist cool, nicht?«, sagt Heather über ihre Schulter, als sie in die Küche geht, um mir ein Glas Wein zu holen. Sie kommt zurück und reicht mir ein riesiges Glas mit silbrig-pinkfarbenem Stiel. »Picasso finde ich toll.«
»Mir gefällt besonders dieses Bild«, sage ich und schaue es an. »Mir gefällt alles, was mit vier Dimensionen zu tun
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